Ein Balance-Konto

I

Es ließ sich natürlich nicht vermeiden, dass in der Generaldebatte über den Jahreshaushalt die Schriftsteller und Maler angegriffen wurden, zumal der Staat die Kunst und Literatur des Landes finanziell unterstützt. Jahr für Jahr erhebt sich in den Sälen des Reichstags das gleiche Jammergeheul über diese Menschen wie über eine Schar aufdringlicher Bettler, die, wie die Ratten, dabei wären, zu einer Landplage zu werden.

Anfangs waren es vielleicht nur einzelne penible und um ihr Gewissen bekümmerte, bigotte Bäuerlein, denen diese künstlerischen und literarischen Posten im Staatsetat ein Dorn im Auge waren; Leute, für die ein Geldstück keinen richtigen, echten Klang hatte, wenn es nicht bei einem ehrlichen, genossenschaftlichen Geschäft verdient oder zumindest der Lohn für einen nicht gänzlich unehrlichen Kuhhandel war. Aber mit der Zeit breitete sich das Verantwortungsgefühl nach oben und unten aus. Jetzt sind sogar die volksgewählten Beamten und anderen Akademiker beinahe am meisten verärgert, die doch auch selbst nicht eben günstige Luxustiere für den Staat sind. Und dieses Geheule aus dem Reichstag hat im Land ein kräftiges Echo gefunden, wo besonders die Schriftsteller in der landläufigen Fantasie zu einem Haufen schamloser Schmarotzer im sonst gesunden und wirkungsvollen Gesellschaftskörper geworden sind. Wenigstens in diesem einen Punkt haben unsere siebenundzwanzig politischen Parteien in einträchtiger Bekümmerung zueinanderfinden können. Hier weinen Wolf und Lamm in brüderlicher Vereinigung miteinander, Arm in Arm. Und am veränderten Ton der politischen Wortführer merkt man, wie behaglich es einem doch zumute sein muss, wenn man sich einmal im Einklang mit Hinz und Kunz wiegen kann.

Wie wähnte sich nicht zum Beispiel der vorige Innenminister, Herr Klaus Berntsen, in mühelos verdienter Überlegenheit, wenn er in seinen literarischen Reichstagsreden als Sprecher des gesunden Menschenverstandes der Nation auftrat, für ihr unverdorbenes Lebensgefühl und für – Gott weiß wie viele – andere herrliche Eigenschaften, derer sich dieser fanatische Volkshochschulmann zum Repräsentanten berufen fühlte! Er erinnerte mit seinen langen Brülltiraden an den gehörnten Sänger im Kleefeld, der sich in einen Blumengarten verirrt und in Verbitterung darüber, nicht sein gewöhnliches Grünfutter vorzufinden, in allen Beeten wütet, während er den Schwanz verächtlich hebt und etwas auf die Rosen und Levkojen hinunterklettern lässt. Aber die Rache ist mein, spricht der Herr, und der Himmel bestraft doch auch ihn mit einem Sohn1, der nette Verse schreibt.

Es bringt sicher wenig, sich bei so viel edlem Unwillen um Rechtfertigung zu bemühen. Dennoch soll hier, was die Literatur betrifft, ein Versuch unternommen werden. Besonders dieser Tage ist es von Bedeutung, sich gegen die Anschuldigung wehren zu können, die Gutgläubigkeit der Leute zu missbrauchen. Während dieses grassierenden Fiebers von Rechtschaffenheit, das die Nation nach der Alberti-Katastrophe2 befallen hat, müssen sich nun auch die Schriftsteller daran gewöhnen, die Hosentaschen nach außen zu stülpen.

II

Wie viel kann es die Gesellschaft schon kosten, einen gewöhnlichen, mittelmäßigen Beamten oder Arzt auszubrüten? Ein achtzehnjähriger Absolvent der öffentlichen Schule schuldet dem Staat ganz bestimmt einige Tausend Kronen. (Infolge der Statistik in "Dansk Kultur 1900"3.) Und da sind noch nicht einmal die Ausgaben miteinberechnet, die der erzwungene Schulbesuch bis zum Alter von 14-15 Jahren kostet und die mit einigem Grund als gleich für alle angesehen werden können. Aber: Während der letzten vier Schuljahre, die ja auch die hochbezahlten Lehrkräfte erfordern, bezieht ein solch junger, im Hemd gekleideter Mensch schon eine nette kleine Summe von mehreren hundert Kronen jährlich. An der Universität wird der Bursche dann noch viel teurer. Hier, unter den Flügeln des emporschauenden Adlers, bekommt er das ganze Wissen umsonst, und es wird auf jegliche Weise darauf geachtet, dass das kleine Licht der Wissenschaft in ihm auch ja nicht erlischt. Er bekommt auch Zugang zu Stipendien und anderweitiger Hilfe und wird vielleicht zuletzt im alten Brutkasten4 unter dem Runden Turm untergebracht, um hier in behüteter Umgebung dem Examen entgegenschwitzen zu können. Danach steht ihm der Weg zu allen Ämtern, Pensionen oder anderen autorisierten Stellungen offen; und doch sind es – erstaunlicherweise – eben diese Brustkinder der Nation, die – wie bereits gesagt – am lautesten schreien, wenn sie in ihrer Zeitung von einer kleinen Reiseunterstützung für einen Künstler oder Schriftsteller lesen, der sich vielleicht – und das gilt im Augenblick für den größten Teil der Jüngeren, und wirklich nicht die Schlechtesten – seit der Konfirmation auf eigene Rechnung durch sein Dasein durchgewurstelt hat.

Schauen wir zum Beispiel zum Vergleich, was ein Schriftsteller wie Martin Andersen-Nexø in den gleichen Entwicklungsjahren die Gesellschaft gekostet hat. Mit vierzehn Jahren wird er direkt von der Grundschule hinaus ins Land geschickt, um sich sein Brot als Hütejunge zu verdienen. Doch dieser Weg konnte nur in die Sklaverei führen, und er hat sieben kleine Teufelchen im Körper, denen langsam Hörner und Klauen wachsen. So geht er nach einem Jahr in seinen neuen, selbstverdienten Holzschuhen zurück in die Stadt und beginnt eine Schusterlehre. Fünf Jahre sitzt er dort inmitten der Leisten und träumt, und dieses lange Stillsitzen, die schlechte Luft in der Werkstatt und vielleicht auch das viele Lesen bei Nacht geben seiner Gesundheit einen Knacks: Er muss also wieder hinaus in die Natur, damit wieder Blut durch seine Adern fließt. Er weiß von einem Dorf, wo man gerade eine neue Kirche baut, und hier bekommt er Arbeit als Mauerputzer und Kalkmischer. Am gleichen Ort ist ein Glasergeselle beschäftigt, der aus Deutschland geholt wurde, um die farbigen Fenster mit Blei zu verfugen, und dadurch seinen ersten Sprachunterricht erhält. Danach kommt Andersen-Nexø an die Volkshochschule und erhält hierfür einen Zuschuss von 80 Kronen von der Gemeinde, der im folgenden Jahr wiedergewährt wird. Insgesamt also 160 Kronen. Aber seine Gesundheit, die hat er nicht wiedererhalten. Dies zeigt sich daran, dass die Lunge in Mitleidenschaft gezogen ist, und mithilfe einiger Schulkameraden gelangt er in den Süden. Er schlägt sich in Italien und Spanien durch und hält sich den Hunger teils mit seinem Handwerk, teils mit Reisebriefen vom Hals, die er an eine Reihe Provinzblätter in seiner Heimat sendet, die ihm anderthalb Kronen je Korrespondenz bezahlen. Die angeschlagene Lunge behält er, wird zudem von der Ruhr verfolgt und liegt krank und ganz allein in weit verstreuten, erbärmlichen Bleiben. Und dennoch: Bei all diesen Widerwärtigkeiten, während derer er mehr als einmal mit dem Tode ringt, arbeitet er unverdrossen weiter an seiner Entwicklung, übt sich sowohl im Sprechen als auch im Schreiben der Sprache des fremden Landes, studiert dessen Literatur und schwingt die eigene Feder. Als er endlich heimkommt über einen französischen Hafen, an dem er den dänischen Konsul vergeblich um Reisehilfe gebeten hat, wird er für eine Zeit Lehrer auf dem Land, und hier fällt ihm eines Tages das große Glückslos in den Schoß: das Monrad'sche Lehrerstipendium; 400 Kronen, mit denen er nach Kopenhagen gehen und seine Ausbildung fortsetzen kann.

Man kommt nicht umhin zu denken, welchen völlig anderen Weg seine Entwicklung genommen hätte, wenn er anstelle seines großen literarischen Talentes ein wissenschaftliches gehabt hätte, wenn auch nur ein ganz bescheidenes. Doch es wäre ganz sicher vermessen, an einen solchen Vergleich auch nur zu denken, und er soll hier auch nicht weiter ausgeführt werden.

Nun darf man aber um Gottes Willen nicht denken, dass dies geschrieben wird, um Andersen-Nexø in das Gewand des Märtyrers zu kleiden und ihm oder einem anderen von der Leine gelassenen Schriftsteller aus der Provinz Mitgefühl zukommen zu lassen. Es würde mir in diesem Fall sehr schlecht bekommen, wenn ich beim nächsten Mal auf einen von denen stoßen würde, deren Stolz es eben ist, selbständige Leute zu sein. Überhaupt ist es ganz und gar nicht meine Absicht, irgendeinen Klageruf zu erheben. Es soll bloß in aller Gutmütigkeit ein wenig gegen das pharisäische Überlegenheitsgefühl der Privilegierten gestichelt werden, das gegenüber der barfüßigen Intelligenz zur Schau getragen wird. Lasst doch die Reichstagsbauern meinen, was sie wollen. Es kann ihnen letztlich doch verziehen werden, wenn sie sauer und missgünstig auf das staatliche Mäzenatentum zugunsten der Kunst blicken und dessen Gerechtigkeit nicht verstehen können. In der Regel haben sie ihren herausragenden Platz in der Gesellschaft selbst erklommen, ohne dass dabei jemand anderes geholfen hätte als ihre eigenen Fähigkeiten; und diese sind in den meisten Fällen ja nicht gerade imponierend.

III

Hier kann nun diese buchhalterische Untersuchung mit einer kleinen Geschichte über Alberti passend aufgeheitert werden. Wo immer man seine pompöse Erscheinung auch anbringt, dient sie besonders gut als Illustration, und er hat verschiedenste Male ein glückliches Händchen dafür bewiesen, den Gedanken des gemeinen Mannes mit unverblümten Worten einen klassischen Ausdruck zu geben. So äußerte er einmal einen Kernspruch gegenüber Viggo Stuckenberg, der, in äußerster Not, Alberti in seiner Eigenschaft als Justizminister darum ersuchte, einen kleinen Teil eines festgelegten Erbes ein paar Jahre vor der Testamentsvollstreckung freizugeben; eine Genehmigung, die sehr oft erteilt wird, und nur eines Federstriches und eines Wachssiegels bedarf. Alberti wollte jedoch nichts von einem solchen Vorgriff auf hinterlegtes Vermögen hören. Und er schloss die sehr kurze Audienz mit der Bemerkung, dass Stuckenberg aus seiner misslichen Lage nun hoffentlich lernen würde, "etwas Nützliches zu lernen".

Die Situation hätte man fotografieren sollen. Im Lehnstuhl am Schreibtisch: der fettbäuchige Goliath mit den frechen Lachgrübchen auf den Backen, der Justizminister des Landes, Bewahrer des königlichen Siegels, der Zuchthauskandidat zu 280 Pfund, der diesen Morgen vielleicht in allerbester Laune eine paar neue Millionen gestohlen hatte, – und ihm gegenüber, dort auf dem Fußboden, der zutiefst verlegene Stuckenberg mit dem schon verschlissenen Körper, der feine, dem Schicksal trotzende Dichter mit dem stolzen Geist, der ruhigste Mann im Lande, der redlichste. Man wird sogleich dazu verleitet, an die Anekdote über einen anderen Dichterbittsteller bei einem anderen Minister in einer anderen Zeit zu denken: Wessels Audienz bei Guldberg. Das köstliche Gemälde, das Marstrand von dieser Szene auf die Leinwand gebracht hat5, hätte einen demokratischen Gegenentwurf verdient. Die Alberti'schen Fleischmassen erfüllen ja immer noch quicklebendig ihren Dienst für einen Künstler, der sich diese als Modell erwünscht; sie werden wohl kaum ihre vielen Pfunde an Gewicht verloren haben. Stuckenberg hingegen, ja, er bleibt auf seinen Arbeiten sitzen. Er wollte in seiner verwunderlichen Sturheit nicht dem wohlgemeinten Rat des großen Schelms folgen (der doch auf langjähriger Erfahrung beruhte) und sich etwas Nützliches vornehmen. Daher gehörte er in seinem Leben immer zu den Verdächtigen, und selbst jetzt, nach seinem Tod6, steht er im Protokoll über die, die sich an der Gesellschaft vergangen haben. Einem Kreis seiner Freunde, die für ein äußerst bescheidenes Denkmal zusammengelegt hatten, gelang es jedenfalls nicht, die Erlaubnis zu erhalten, dieses in einem abseitigen Eck eines öffentlichen Parks in der Nähe der Stadt aufzustellen, wo er viele Jahre lang sein Zuhause hatte. Ein anderer dieser Systemwechselminister lehnte das Ersuchen ohne jede Begründung ab. Er war vielleicht der Meinung, dass es schnell wie eine unangebrachte Anzüglichkeit hätte aussehen können, wenn für Stuckenberg ein Monument an der Stelle errichtet worden wäre, die Sorgenfri7 heißt. Ansonsten scheint diese Ablehnung etwas hartherzig, da der Staat in einer anderen seiner Schlossanlagen doch einen Grabplatz mit zugehöriger Gedenksäule für ein verstorbenes Pferd und einen dahingegangenen Schoßhund hat entbehren können. Diese waren allerdings königliche Angestellte, auch wenn es schon lange her ist.8

Doch auch über Stuckenberg sollen hier keine Trauerlieder gesungen werden. Er, der selbst nie auf das Mitgefühl anderer aus war, sollte davon verschont werden, dem Volk mit einer Dornenkrone auf dem Kopf dargestellt zu werden. Sofern ich mich an seinem Lebensschicksal vergriffen habe, wird er mich es sicher wissen lassen, wenn ich beim nächsten Mal seiner Gestalt in den Wäldern um Lyngby begegne. Er würde seine weiße Hand königlich auf meine Schultern legen und mit seinem besonderen Lächeln, das schon zu seinen Lebzeiten niemals ein richtiges, sondern ein Biss auf die Lippen gewesen war, ein unterdrückter kleiner Krampf von Gelächter oder Weinen, sagen: Schau, ich war doch der Liebling der Götter! Ich hatte das Glück, jung zu sterben!

IV

"Die Herren sollen sich etwas Nützliches vornehmen!" – Das ist die kurze, splitternackte Meinung der vielen Umschweife und edlen Redensarten, mit denen die Einfältigen ihren Unverstand und die anderen ihre Heuchelei verhüllen. Man kann über Alberti und seinen Millionenraub sagen, was man will, er nahm in solchen Dingen nie ein Blatt vor den Mund.

In Wahrheit würde es sich immer zeigen, wenn zwischen der Kunst und der Gesellschaft abgerechnet werden soll, dass es die Gesellschaft war, die hinter der Maske der Wohltätigkeit bei dem Geschäft am meisten verdiente. Genau wie die privaten Mäzene, die sich in der Regel am Ende auch mit dem Profit davonmachen.

Nun ist es zuallererst eine schwierige Sache, die Habenseite der Kunst auf buchhalterische Art darzustellen, und besonders gilt dies für die Dichtkunst. Die von der schönen Literatur erschaffenen Werte können noch weniger mit runden Zahlen aufgerechnet werden, als die der Malerei oder der Wissenschaft. Daher haben sich die braven Leute immer ohne jedes Risiko eine Freude daraus machen können, den Bankrott der Literatur auszurufen, und besonders in unserer Zeit haben sie ja nichts von dieser Zufriedenstellung abgehen lassen. Ein Kenner wie Professor Vilhelm Andersen ist jedoch so liebenswürdig gewesen, die jetzige Literaturepoche als das Zeitalter der Zweitbesten9 zu bezeichnen, und viele haben diesen Ausdruck als treffend empfunden. Das ist er auch, wenn dem bloß hinzugefügt wird, dass der Augenblick immer dem Zweitbesten in Kunst und Dichtung gehört, ausgenommen derer, die die seltene Gabe für einen Blick in die Zukunft haben. Erst die Nachwelt richtet den Blick auf die bleibenden Werte, auch die der schon anerkannten Autoren, ja, in der Regel zuallerletzt bei diesen.

Nun aber: Die Endsumme der alten Rechnung zwischen der gegenwärtigen Literatur und dem Staat kann vorläufig nicht verbucht werden, da ihre Höhe nach wie vor umstritten ist. Über einen einzelnen Posten kann man sich jedoch vielleicht schon jetzt einig werden: den Verdienst einer sprachlichen Erneuerung. Auf jeden Fall ist die Sprache selbst nie so aufgeblüht, wie im letzten Menschenalter. Nie haben die Worte sich so vermehrt und eine Schöpferkraft wie in der letzten Zeit offenbart. Als künstlerisches Ausdrucksmittel, als Stimmungsinstrument ist die Sprache eine Entwicklung durchgangen, wie etwa vom Saitenspiel bis zum modernen Konzertflügel, und diese Entwicklung hat sich von der inspirierten Zungenrede des Dichters hinaus ins Volk verpflanzt und lässt sich noch im erbärmlichsten Provinzklatschblatt aufspüren. Und was hat nun diese ganze Spracherneuerung die Gesellschaft gekostet? Ja, verglichen damit, was man für das einigermaßen ordentliche Stimmen eines gewöhnlichen Hackbretts bezahlen muss, ist sie billig davongekommen.

Und jetzt ein zweiter Posten: Ist es wirklich "unnütz" für das Land, dass unsere schöne Literatur, die hierzulande Übles für ihre Fruchtbarkeit ertragen muss, aus demselben Grund Aufmerksamkeit im Ausland weckt, dass manches von dieser verspotteten Flut an Romanen, Novellen und Schauspielen in fremde Sprachen übersetzt wird, Kenntnisse über unser Land verbreitet, seinen Namen in Zirkulation versetzt und Interesse für uns schafft in den Ländern Europas? Bloß als Werbung betrachtet muss sie doch einen bestimmten Wert haben. Um bei den zeitgenössischen Autoren zu bleiben und uns weder auf Jens Peter Jacobsens herzerweichenden Ruf noch auf den Namen des Altmeisters10 zu stützen – was kann uns zum Beispiel Herman Bangs, Johannes V. Jensens oder Sofus Michaëlis' ausländische Anerkennung an Geld wert sein? Oder Gustav Wied, der Deutschland ein neues geflügeltes Wort gab, oder Knud Hjortø, der hierzulande fast unbekannt ist, aber dessen Bücher anderenorts gelesen und besprochen werden wie seltene Funde? Haben Schriftsteller wie diese beiden nicht das Recht, ihre Rechnung mit dem Staat als saldiert zu betrachten, wenn man bedenkt, dass sich deren Guthaben bei dem Zweiten auf ein paar Hundert Kronen für eine Auslandsreise, bei dem Ersten auf einen kleinen Teil an Ausgaben für einen Kuraufenthalt im Gefängnis von Christianshavn belaufen?

Dass es vielleicht in unserer Armut glücklicher für uns gewesen wäre und noch besser für unser Renommee, wenn diese Summe von Kraft und Saft unserer Nation, die durch Worte und Bilder aufgeblüht ist, sich durch etwas anderes, Praktischeres entfaltet hätte, – darauf muss man nicht näher eingehen, da dies in keinem Fall die Verdienste der Kunst und der Literatur mindern kann. Im Gegenteil – es muss sie verdoppeln. In einer Zeit, in der wir uns in Sicherheit wiegen wollen, entfalten sich Wetteifer, Wagemut und Abenteuerlust außergewöhnlich lebhaft in Büchern und auf Leinwänden, und es ist kein Zufall, dass die beiden Dänen, die zur Zeit als Vorbilder für Waghalsigkeit und Handlungsstärke stehen, Mylius-Erichsen und Knud Rasmussen, in der Literatur ihre berufliche Heimat haben.

Mögen wir nun daher bald verschont bleiben von diesen falschen Klagen über die staatliche Verschwendung für die "unnützen" Künstler und Schriftsteller! Weder zum Himmel gewandte Augen noch bissiges Hundegekläff haben hier ihren Platz. Der Staat kann seine Ausgaben reichlich decken, und das, obwohl er diese in viel zu vielen Fällen wider alle gesunde Vernunft tätigt; fast so, als ob es die Absicht wäre, unseren Herrgott dafür zurechtzuweisen, dass er die Talente so ungleich zwischen Stadt und Land verteilt hat.

 
[1] Mit Sohn ist hier der Dichter und Arzt Aage Berntsen (1885-1952) gemeint. tilbage
[2] Bezugnahme auf Peter Adler Alberti (1851-1932), dänischer Justizminister von 1901-1905, der neben seiner äußerst konservativen Haltung insbesondere auch wegen des Missbrauchs seines Amtes zum persönlichen Vorteil bekannt wurde. tilbage
[3] Dansk Kultur [Dänische Kultur] 1900: Es handelt sich vermutlich um die Schrift Danmarks Kultur ved Aar 1900 [Die Kultur Dänemarks im Jahr 1900], 1900, herausgegeben von J. Carlsen, Hans Olrik und C.N. Starcke. tilbage
[4] Brutkasten: Gemeint ist das traditionsreiche Studentenwohnheim Regensen in Kopenhagen. tilbage
[5] Damit ist vermutlich das Ölgemälde "Minister Guldberg vil gøre noget for Wessel, men dennes ønsker indskrænker sig til – en pris" ["Minister Guldberg will etwas für Wessel tun, aber dessen Wünsche beschränken sich auf – einen Preis"] von 1865 gemeint (in Privateigentum). Das Motiv ist auch auf in jedem Fall zwei Federzeichnungen wiedergegeben, die eine von 1861, siehe die Abbildung auf dieser Seite. Pontoppidan könnte dieses Bild aus Karl Madsens Buch über Marstrand von 1905 gekannt haben. Marstrand war der Schwiegervater von Morten Pontoppidan. tilbage
[6] Stuckenberg verstarb am 6.12.1905. tilbage
[7] Gemeint ist der Kopenhagener Vorort Sorgenfri, in dem auch das gleichnamige, königliche Schloss Sorgenfri (Sorgenfri slot) liegt. Ins Deutsche übersetzte bedeutet der Name "Sorgenfrei". tilbage
[8] Viele Jahre Später wurde die Anekdote in der Zeitung Flensborg Avis vom 07.12.1930 und in Familjeliv [Familienleben], 1940, Kapitel 5, S. 104 veröffentlicht. tilbage
[9] Vilhelm Andersen (Literaturhistoriker, 1864-1953) selbst bezweifelte der Ursprung für diesen Ausdruck gewesen zu sein, siehe den Brief an Pontoppidan vom 02.11.1936. Siehe auch Moestrup Kapitel IV. Siehe auch Familjeliv, Kapitel 4, S. 92. tilbage
[10] Hier meint Pontoppidan vermutlich Georg Brandes. tilbage