Henrik Pontoppidan til Paul Ernst
Sendt fra Overgaden neden Vandet 15. 2. maj 1928

i[n] geistigen Stillwasser


2d Maj 28
Overgaden n. V. 15.
Kopenhagen

Mein lieber Herr Dr. Paul Ernst!

Ich habe lange an Sie schreiben wollen und nur damit gewartet in der Hoffnung, Ihnen einige meiner letzten Kleinigkeiten in deutscher Übersetzung gleichzeitig senden zu können. Die Herausgabe zieht sich aber in die Länge, und ich will es nicht länger aufschieben, Ihnen für die freundliche Zusendung "Des Weges zur Form" zu danken, sowie für alles andere, was ich Ihnen im verflossenen Jahre zu danken gehabt. "Der Weg zur Form"1 und "Das Kaiserbuch"2 waren in den letzten Monaten meine beste Gesellschaft, und es gibt überhaupt keinen jetztigen Schriftsteller, den ich mit grösserer Freude lese, von dem ich mehr gehabt, und den ich menschlich höher verehre. Dass es mir so wenig gelungen ist, die Aufmerksamkeit meinen Landsleute, besonders meiner Berufsgenossen für Ihre Verfasserschaft zu erwecken tut mir leid um ihrer selbst willen, wie ich bedaure, dass die Akademie in Stockholm gegen alle Ansuchen Ihrer Freunde noch immer taub ist. Wir befinden uns aber hier im Norden zurzeits nach dem grossen Schiffbruch, den der Krieg, nicht am wenigsten für uns Neutralen, bedeutet hat i[n] einem geistigen Stillwasser.

Ein anderer Grund für meine lange Verschwiegenheit ist die Krankheit und der Tod meiner lieben Frau. Zwei Jahre lang war sie bettlägerig, und ihr Zustand hoffnungslos. Hier in der Overgade, wo Sie uns seinerzeit besuchten, sitze ich nun allein. Ich hoffe, dass weder Ihnen noch Ihrer Familie irgend etwas böses in Ihrem Heim im Gebirge begegnet sei, um dessenwillen Sie es jetzt verlassen haben. Ich wünsche Ihnen alles gute, darunter die Arbeitsruhe zur Vollendung Ihrer grossen Reimchronik.

Ihr ergebener
Henrik Pontoppidan

 
[1] Der Weg zur Form, 1906. tilbage
[2] Das Kaiserbuch, 1923-28. tilbage