Paul Ernst til Henrik Pontoppidan
Sendt fra Stiefing, Steiermark, Østrig. 29. maj 1928

[maskinskrevet:] St. Georgen a.d. Stiefing, Steiermark, d. 29. Mai 28.

Hochverehrter Herr Henrik Pontoppidan,

zuerst mein herzliches Beileid zu dem schweren Verlust, der Sie getroffen hat, von dem ich keine Ahnung hatte; denn sonst hätte ich Ihnen schon längst geschrieben. Die Stunden, die ich mit Ihnen und Ihrer verehrten Gattin in der Overgade verbringen durfte, stehen mir in der allerschönsten Erinnerung vor den Augen. Das Wesen einer Frau drückt sich unmittelbar in ihrem Haus aus, und in Ihrem Haus herrschte die Ruhe und Harmonie, welche Ihnen ermöglicht hat, Ihre grossen Werke zu schreiben. Ihre Werke sind in Deutschland nicht so verbreitet, wie die Werke Anderer. Aber Sie teilen das mit allem wahrhaft Guten. Die wenigen Menschen von höherer Art, die es in unsrer ungeheuren Menschenansammlung giebt, sind Alle Ihre Freunde und Verehrer. Mit innigem Gefühl denke ich an Ihre Einsamkeit. Es ist wohl das Schwerste für einen Mann, wenn er im Alter seine Frau verliert, mit der er zusammen sein Leben geführt hat. Ich möchte, dass Sie immer wissen, dass ich mit warmer Freundschaft für Sie als Menschen und mit tiefer Verehrung für Sie als Dichter an diese Ihre Einsamkeit denke.

Ich habe mit meiner Familie sehr schwere Jahre hinter mir. Ich hatte rechtzeitig für einen kleinen Teil unsres Vermögens, von dem wir lebten, denn meine Werke bringen sehr wenig ein, ein kleines Bauerngut in Oberbayern gekauft, das uns wenigstens über die schlimmsten Zeiten der Inflation hinwegbrachte. Nachher aber wurden die Steuern so ungeheuerlich, dass ich das Gut nicht mehr halten konnte. Ich zog nach dem sehr viel billigern Oesterreich, wo ich für einen Teil des Erlöses für das Gut die Hälfte eines Schlosses kaufte, die sehr billig zu haben war, da das Land von dem Gebäude fortverkauft war. Ich war aber einer Betrügerin in die Hände gefallen, und da der Käufer meines Gutes sich gleichfalls als zweifelhafte Persönlichkeit entpuppte, so schien es eine Zeitlang, als solle der gerettete kleine Rest unsres Vermögens verloren gehen. Nun hat sich aber Alles noch glücklich geordnet, so das wir heute ohne ganz schwere Sorgen leben können. Das Kaiserbuch ist vor einigen Wochen beendet. Den 5. Band werden Sie in vielleicht einem Monat erhalten, und der Druck des 6. hat auch bereits begonnen.

2 Ich habe nun diese zehnjährige Arbeit hinter mir und denke mich zunächst einige Zeit zu erholen. Dann will ich an einen andern grossen Plan gehen.

Ich danke Ihnen von Herzen, dass Sie sich solche Mühe geben, Andere für meine Werke zu interessiren. Wir müssen wohl Beide auf Erfolge verzichten, welche Andere so leicht haben, aber ich denke, dass die Wirkung um so dauerhafter sein wird. Ich glaube, dass die Leute sich schämen, wenn sie Ihre Bücher lesen, und ich glaube, das ist die höchste Wirkung, die ein Dichter in der heutigen Zeit erreichen kann.

Sie sind auch so gütig, sich für meine Nobel-Hoffnungen zu interessiren. Sie haben wohl recht, dass bei Ihnen im Norden seit dem grossen Kriege eine gewisse Ratlosigkeit herrscht. Diese Ratlosigkeit wird aber ganz bestimmt nicht so schlimm sein als die bei uns. Sie ist natürlich besonders nachteilig für einen Dichter, welcher glaubt, einen Ausweg gefunden zu haben, denn die Leute folgen ihm nicht etwa auf seinem Weg, sondern gehen nun mit geschlossnen Augen an ihm vorüber. In diesen Tagen aber schickte mir ein Freund eine Nummer einer ungarischen Zeitung, in welcher der hervorragendste ungarische Kritiker schrieb, man sei in Ungarn der Ansicht, dass ich den Preis erhalten würde wenn er wieder nach Deutschland komme. Ich selber lebe in diesem Winkel hier gänzlich abgeschnitten von den andern Menschen. Ich bin in meiner Familie glücklich, geniesse das schöne Klima und habe alle Ruhe zum Arbeiten, nachdem die allerschlimmsten Sorgen mir nun abgenommen sind.

[håndskrevet:] Mit den allerherzlichsten Grüssen
Ihr ergebner
Paul Ernst