Tagebuch

Ein liebenswürdiger Hotelwirt hat mir einen Brief zukommen lassen, in dem er sich über einige Äußerungen beklagt, die ich neulich – anlässlich Herrn Otto Rieß' Dänemarkfahrt – über das allgemeine Elend unserer Provinzhotels fallen ließ. Er behauptet, dass meine Beurteilung vollkommen ungerecht und die dänischen Hotels – sowohl in Kopenhagen als auch in der Provinz – allesamt "Muster an Sauberkeit, Ordnung, guter Bewirtung, vorzüglicher Küche und gut abgelagerten Weinen" seien, und bittet mich schlussendlich darum, diesen seinen Protest der Leserschaft der "Børs-Tidende" kundzutun.

Ich komme seiner Bitte gerne nach, beharre aber hartnäckig auf meinem Urteil, und kann dies mit langjähriger und schmerzlicher Erfahrung begründen. Die Hotels in der Provinz sind so gut wie ausschließlich für Handelsreisende vorgesehen. Nur wer sich durch das Mitbringen von großen schwarzen Holzkoffern und einem distinguierten Äußeren als ein solcher ausweisen kann, darf einen entsprechenden Empfang erwarten. Die Herren Handelsreisenden, die ein paar Mal im Jahr und oft für mehrere Wochen Gäste des Hotels sind, sind dessen wesentlichste Stütze. Daher betrachten sie es auch fast schon als ihren Besitz und da sie in aller Regel auf gutem Fuß mit dem Wirt stehen, fällt es ihnen selten ein, Kritik zu üben und alles geht im gewohnten Schlendrian weiter seinen Weg.

Kommt ein gewöhnlicher Reisender zum Hotel, wird er meistens – besonders im Winter – mit dem gleichen schiefen Blick betrachtet, wie ein Fremder, der sich störend in den gemütlichen Familienkreis drängt. Man hat dauernd das unbehagliche Gefühl, ungelegen zu kommen, und es wird fast schon als Beleidigung angesehen, wenn man sich nicht mit der Einrichtung des Hotels, seinen Preisen oder den Tischzeiten auskennt.

Wenn Dänemark aber wirklich ein Touristenland werden soll, können diese Zustände nicht bestehen bleiben, und ich wiederhole meine Aufforderung an den Touristenverband, sich dieser Sache anzunehmen.

Es ist kaum wahrscheinlich, dass man die Hotelwirte dazu bekommt, den ausgetretenen Pfad zu verlassen. Dafür sind sie viel zu sehr interessiert daran, ihre Hotels als eine Art Herberge für Handelsreisende zu bewahren. Es könnte hingegen sinnvoll sein, für die Errichtung von kleinen, gemütlich ausgestatteten Sommerpensionen zu sorgen, in denen die Urlaubsreisenden Zuflucht finden könnten. Lassen sich in unseren Provinzorten im Land nicht ein paar Damen finden – am besten mit entsprechenden Sprachkenntnissen – die sich durch die Leitung solcher Touristenherbergen ein Zuverdienst schaffen wollten?

Sie könnten sich in diesem Fall der Freude von so manch Reisendem ohne Obdach sicher sein und dabei selbst auch nicht schlecht dran sein.

Urbanus.