Henrik Pontoppidan til Paul Ernst
Sendt fra Ørnsøhus pr. Silkeborg. 22. juni 1920

persönlichen Hinwendungen bedeutungslos


22.6.20
Meine Postadresse: Overgaden n. Vandet
Kopenhagen C

Hochgeehrter Herr Doktor!

Wie Sie also erfahren haben, schrieb ich Ihnen um Neujahr einen Brief mit Dank für die mir gesandten Bücher, und äusserte mich gleichzeitig über den Eindruck, den sie auf mich gemacht haben. Der Brief ist indessen auf dem Wege nach Rostock, wo meine Übersetzerin, Frau Mathilde Mann, sich damals aufhielt, verloren gegangen, und ich habe Ihnen nie einen Ersatz darfür geschickt, weil meine Korrespondenz in Folge meiner Krankheit ins Stocken geriet.

Ich befinde mich augenblicklich in einem Bad in Jütland, wo Ihr letzter Brief (infolge der verkehrten Adresse: Helsingør) mich auf Umwegen und deshalb verspätet erreicht hat. So will es das Unglück, dass ich Sie abermals, sehr gegen meinen Willen, auf Antwort warten lasse.

2 Ein grösseres Unglück ist dadurch jedoch nicht angerichtet, denn ich bin überzeugt, dass alle persönlichen Hinwendungen an die Mitglieder der schwedischen Akademie in Sachen des Nobelpreises bedeutungslos sind. Ich glaube, dass bei der Erteilung einzig und allein Rücksicht auf die Vorschläge der Institutionen in den verschiedenen Ländern genommen wird, denen die Fundation das Vorschlagsrecht eingeräumt hat, in diesem Falle also wohl die Berliner Akademie.

Persönlich kenne ich keinen der achtzehn Herren der "Schwedischen Akademie", (nicht Akademie der Wissenschaften), die den litterarischen Preis austeilen. Mit Sicherheit kann ich Ihnen nicht einmal die Namen von mehr als von Vieren nennen, nämlich: Heidenstamm, Selma Lagerlöf, Per Hallström und C.A. Karsted1. Der letztere ist zugleich Sekretär der Akademie und wohl einer von denen, die den grössten Einfluss haben. Seine Adresse ist: Svenska Akademien, Stockholm. Übrigens sollte ich fast glauben, dass Professor Böök2 in Lund, der eine schwedische litterarische Autorität ist, 3 Ihnen in Bezug auf Lebensauffassung und Kunstauffassung am nächsten steht. Er ist Professor der Litteratur, folglich kann wohl kein Zweifel darüber bestehen, dass er Sie kennt. Er ist wohl noch nicht Mitglied der Akademie, aber deswegen kann er ja doch Einfluss auf ihre Entscheidungen haben.

Das einzig Richtige ist jedoch, wie gesagt, dass Sie einen Vorschlag von deutscher Seite bringen, und ich hoffe aufrichtig, dass dies geschehen möge. Eine Verfasserschaft wie die Ihre hat Nobel sicher im Sinne gehabt, und selbst wenn man mit gewissem Recht geltend machen kann, dass Sie nicht als rein schönlitterarischer Verfasser Ihr Bestes leisten, so kann dies doch nicht das Entscheidende sein, da ja Professor Eucken3 früher den Preis erhalten hat.

Ich hatte gehofft, Ihnen als geringe Gegenleistung für die vielen vortrefflichen Bücher, die ich von Ihnen erhalten habe, einige meiner Werke in deutscher Übersetzung zu senden. Aber es sieht so aus, als wenn meine deutschen Verleger es aufgegeben 4 haben, neue Auflagen von meinen Büchern zu veranstalten, obgleich die alten längst ausverkauft waren.

Auf alle Fälle habe ich mir kein Exemplar beschaffen können.

Mit freundlichem Gruss und meinen besten Wünschen.

Ihr sehr ergebener
Henrik Pontoppidan

 
[1] C.A. Karsted: formentlig digteren E.A. Karlfeldt (1864-1931). Det ser af arkivoversigten i Das Bundesarchiv ud som om Det var Per Hallström Paul Ernst henvendte sig til. tilbage
[2] Böök: Fredrik B. (1883-1961) sv. litteraturhistoriker. tilbage
[3] Eucken: Rudolf E. (1846-1926) tysk (frisisk) filosof, nobelprisen i litteratur 1908. tilbage