Selbstgespräch

Ich freue mich immer, wenn ich Peter Nansens Namen unter einem Artikel in der Politiken1 sehe. Ich weiß dann, dass ich etwas lesen werde, worüber ich mich freue. Ich bin nun einmal sehr angetan von guten Stilisten. Und was man auch sonst von Nansen halten mag, seinen Ansichten und seiner ganzen Lebensanschauung, die Schelmerei seines Stils ist und bleibt unvergleichlich.

In der Sonntagsausgabe der Zeitung las ich so mit wirklichem Genuss seine – etwas verspätete – Antwort auf die von der Politiken aufgeworfene Frage: Was ist ein Snob? Von all den vielen eingegangenen Antworten2 erscheint mir diese die einzige recht erschöpfende. Ganz besonders interessant finde ich den im Artikel enthaltenen Nachweis, wie schnell sich ein üblicherweise normaler und vorurteilsfreier Mensch von Snobismus anstecken lässt, wenn bloß die Voraussetzungen gegeben sind. Es verhält sich dabei wie mit Krebs, Tuberkulose und ähnlichen unheilbaren Krankheiten. Bei Personen mit einer gewissen Anfälligkeit für diese bedarf es nur der geringsten Berührung mit dem Krankheitserreger, und die Krankheit durchdringt sofort den ganzen Organismus.

Doch am Sichersten trifft Nansens Satire dort, wo er in seinem Artikel eine Probe davon gibt, wie ein Snob seine Gefühle anlässlich Prinz Christians Verlobung ausgedrückt hätte. Hier hat er alles vereint, sowohl den alleruntertänigsten Kriecher als auch die taktlose Untersuchung davon, welcher Art die Gefühle Prinz Christians für seine junge Verlobte sein mögen, ob er "auf sein Herz gehört hat", ob er "sich wirklich verliebt hat", ob er "aus Liebe heiratet" und andere Fragen dieser Art, in die nur ein Snob seine Nase steckt, weil es allein die unpersönliche, politische Seite der Sache ist, die die Öffentlichkeit etwas angeht.

In dieser Stilprobe übertrifft Nansen sich selbst. Hier merkt man, dass er ein wahrer Dichter ist, das heißt, ein Mensch, der es vermag, sich so vollständig in die Gedanken- und Gefühlswelt eines anderen Menschen, in diesem Fall in die eines Snobs, hineinzuversetzen, dass er jederzeit, bei jeder Gelegenheit, im Stande ist, genau die Ausdrücke und Redewendungen nachzuahmen, die dieser andere Mensch verwendet hätte. Ein berühmter Kritiker sagte darüber: "Derartiges beginnt als Beobachtung und endet als eine Art Seelenwanderung". Peter Nansens frohe Seele, die auf ihrer launenhaften Dichterflucht Einzug in den Herzen so vieler anmutiger, junger Frauen gehalten hat, hat sich zur Abwechslung für eine Weile in der feuchtkalten Lurchhaut eines Erzsnobs eingerichtet, die er so vollständig ausfüllt, dass gutgläubige brave Leute glauben könnten, dass er dabei sei, damit fest zu verwachsen. Wir anderen, die den satirischen Einfall seiner übermütigen Muse kennen, die wissen, mit welcher Naturtreue sie immer ihr Kostüm zum Leben erweckt und mit welcher Leichtigkeit sie es wechselt, hegen keine Furcht. Wir empfinden bloß Bewunderung für ein solch vollendetes Schauspiel.

Henrik Pontoppidan.

 
[1] Politiken: dän. Zeitung, gegr. 1884. tilbage
[2] Antworten: Anlässlich eines Rechtsstreits über das Beleidigende darin, jemanden einen Snob zu nennen, forderte die Politiken am 5.3.1897 ihre Leser auf, eine kurze und klare, aber dennoch erschöpfende Definition eines Snobs einzusenden. Eine Vielzahl von Antworten wurde bis zum 11.3.1897 in der Zeitung veröffentlicht. tilbage