Paul Ernst til Henrik Pontoppidan
Sendt fra Sonnenhofen, Post Königsdorf, Ober Bayern. 23. november 1923

wieder Ihr Wort für mich einzulegen?

Sonnenhofen, Post Königsdorf, O. Bay.
23. Nov. 23

Hochverehrter Herr Pontoppidan, wie Sie in der Zeitung gelesen haben werden, hat für dieses Jahr Yeats1 den Nobel-Preis bekommen. Sie wissen, dass ein Candidat mehrere Jahre lang vorgeschlagen werden muss, ehe ihm der Preis verliehen wird; darf ich Sie um die grosse Güte bitten, wieder Ihr Wort für mich einzulegen? Vielleicht würden Sie am besten unmittelbar nach Stockholm an die Schwedische Akademie schreiben.

Ich denke oft an Sie und Ihre Gattin und die friedlichen, schönen Stunden mit Ihnen. Nun scheint es, als ob auch Ihr Land mit in den Strudel gerissen wird, den es während des Krieges noch glücklich entging. Es handelt sich eben um einen allgemeinen Zusammenbruch Europas. Dabei werden die Vertreter der Geistes zuerst getroffen, denn den Geist kann man freilich bei diesen Orgien der Dummheit und Gedankenlosigkeit nicht gebrauchen. Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie ohne allzu grossen Schäden durch die Katastrophe gehen mögen. Bei uns sieht es sehr schlimm aus. In meinem Dorf allein sind bis jetzt 4 Fälle von Hungerödem – wie mag es in den Grossstädten sein.

Mit den herzlichsten Grüssen Ihr
dankbarer
Paul Ernst

 
[1] Yeats: W.B. Yeats (1865-1939), irsk digter, fik Nobelprisen i litteratur 1923. tilbage