Paul Ernst til Henrik Pontoppidan
Sendt fra Sonnenhofen, Post Königsdorf, Ober Bayern. 9. oktober 1921

Sonnenhofen, Post Königsdorf, O. Bay.
9 Oct 21

Hochverehrter Herr, nachdem ich zu Hause angekommen bin und mich einigermassen zurechtgefunden habe, muss es mein Erstes sein, Ihnen und Ihrer Gattin für die schönen Stunden zu danken, die Sie mir gewidmet haben. Der Eindruck des schönen Kopenhagen ist in meiner Erinnerung unauslöschlich mit Ihnen verbunden. Meine Frau, der ich Alles erzählte, trägt mir auf, auch von ihr aus Ihnen Beiden zu danken.

Seit 1914 war ich nicht mehr aus Deutschland herausgekommen; seitdem war nun Krieg, Revolution und das Bevorstehen der allgemeinen Europäischen Katastrophe. Da ist mir diese Reise ungemein lehrreich gewesen. Ich komme mit frischer Hoffnung für mein Vaterland, für die Zukunft unseres Erdtheils zurück.

Ich habe nun die beiden Romane in dem Band1, den Sie mir so freundlich schenkten, gelesen, und ich verstehe jetzt, was Sie meinen mit Ihrem Bedenken gegen die Komödiantengeschichten2. Vielleicht darf ich den Unterschied unserer Komik so bezeichnen: Sie haben das dichterische Bild, das Sie formen wollen, rein sinnlich nur in den Augen. Bei mir entsteht es im Gehirn und wird von diesem erst für die Darstellung geschaffen. Wir Beide sehen die Unmöglichkeit der bürgerlichen Welt. Aber Sie stellen sie dichterisch dar, indem Ihre Helden in sich ein dumpfes Suchen nach einer wirklichen Welt haben, in der sie leben könnten; ich überspringe sie und suche eine ganz unbürgerliche Welt mir zu schaffen, in welcher meine Helden sich 2 bewegen können, wie der Fisch im Wasser. Vielleicht geht der Unterschied auf tiefe nationale Unterschiede zurück; wenn ich die Tendenz der dänischen Litteratur recht verstehe, strebt sie immer danach, die Verbindung mit dem Wirklichen aufrecht zu erhalten; den Märchen Andersens giebt dieses Streben seinenihren√ eigentümlichen Reiz; indess die Deutschen immer Idealität ihrer gesamten dichterischen Welt wollen.

Das ist nur so eine Erklärung, die mir eben eingefallen ist, ich weiss nicht, wie weit Sie sie annehmen mögen.

Nun sind noch schöne Tage im November und Oktober gekommen; ich wünsche, dass Sie sie mit Ihrer Gattin noch recht geniessen mögen.

Mit herzlichen Grüssen, in alter Verehrung, Ihr
Paul Ernst

 
[1] die beiden Romane in dem Band: formentlig Der alte Adam. Zwei Romane, 1912, aut. overs. efter Den gamle Adam og Det ideale Hjem af Richard Guttmann. tilbage
[2] Komödiantengeschichten, Paul Ernsts bog fra 1920 som han sendte til Pontoppidan, se dennes brev 8.12.1920. tilbage