Henrik Pontoppidan til Paul Ernst
Sendt fra København. 18. oktober 1922

ich zweifle daran

Kopenhagen. C.
18d Oktb. 22.

Lieber Herr. Doctor!

Aus der kleinen Karte, die ich Ihnen bei meiner Rückkehr von einer Sommerreise schickte, werden Sie den Grund erfahren haben, weshalb ich Sie so lange ohne Antwort auf Ihren Brief liess. Ich habe jetzt mit Professor Dr. Soergel1 korrespondiert und beklage nur, dass ich nicht früher Gelegenheit bekam an einer Zuschrift an das Nobelkomité beteiligen – mit den Bitte, dass die schwedische Akademie bei der Austeilung des literarischen Preises Ihre grossen Verdienste in Betracht zu nehmen. Selbst konnte ich nicht das 2 Initiativ ergreifen, da ich bestimmt glaube, dass die Akademie ausschlieslich [auf] Gesuche von Universiteten und ähnlichen Institutionen Rücksicht nimmt. Es ist mir allerdings gesagt worden, dass jeder, der schon den Preis empfangen hat, sich dabei auch ein besonderer Recht zu direkter Einstellung erworben hat, aber die schwedische Akademie ebenso wenig wie die Nobelstiftung, haben mir je etwas davon mitgeteilt, deshalb zweifle ich daran, dass es sich richtig verhält. Im entgegensetzen Falle würde ich, wie gesagt, längst dieses Recht benützt haben, um die Aufmerksamkeit der Akademie auf Sie und Ihre bedeutungsvolle Produktion hinzuleiten.

Ich verlebte einen Teil der Sommer 3 in3 Jütland in einer einsamen und (nach dänischen Verhältnissen) hochgelegenen Gegend, und unter den weinigen Büchern, die ich mitgenommen hatte, war Ihre "Ariadne auf4 Naxos"2. Das Buch wurde so in ähnlichen Einsamkeit und Weltfernheit gelesen wie es geschrieben und die es von Anfang bis Ende prägt. In der griechischen Einkleidung hat das innere Leben des Dramas sich schwer ganz freimachen können; aber die Anlage ist kräftig und gross, getragen von jener griechischen Ruhe, die eine so heftige Unruhe birgt. – Es ist jetzt gut ein Jahr her, dass meine Frau und ich die Freude hatten, Sie bei uns zu sehen. Wir reden oft davon, und bitten Sie zu glauben, dass Sie und Ihre Familie an uns Freunde haben, die an Sie und an alle Deutschen mit tiefem Mitgefühl 4 denken, wenn wir von den schweren Verhältnissen in Ihrem Vaterland lesen.

Einen herzlichen Gruss und Dank von uns beide.

Ihr ganz ergebener
Henrik Pontoppidan

 
[1] Soergel: Albert S. (1880-1958) ty. litteraturhistoriker. tilbage
[2] drama, 1912. tilbage
[3] < i tilbage
[4] < af tilbage