Tagebuch

7. August

"Waren Sie jemals so richtig auf Amager?"

Von hundert Menschen, denen diese Frage gestellt wird, werden neunzig diese unumgängliche Antwort geben:

"Amager! Guter Gott, was soll man denn dort? Das Land ist doch platt wie ein Pfannkuchen. Und außerdem (und hier rümpft die betroffene Person die Nase) lege ich keinen Wert darauf, dass meine Geruchsorgane zu sehr mit jenen Köstlichkeiten in Berührung kommen, die die Dame in Hostrups Singspiel Die Intrigen1 "Marmelade" nennt und die nachts auf bestimmten großen Rostkarren aus Kopenhagen herausgefahren werden, um in der mütterlichen Erde von Amager zu ruhen."2

Vielleicht liegt es an meiner immer noch unverminderten Vorliebe für Pfannkuchen, vor allem mit Marmelade, dass mich die Sehnsucht nach dieser verkannten Insel schon oft heimgesucht hat, und in diesen Tagen habe ich sie endlich einmal besucht.

Nun – es lässt sich kaum verneinen, dass das Land wenig Abwechslung bietet. Man braucht ein Augenpaar wie ein Nivelliergerät3, um das zu erkennen, was die Leute hier draußen "Berge" nennen. Und was die Waldkultur betrifft, so gibt es neben dem alten, moosbewachsenen "Königshain" – dem Stolz der Einheimischen – nur hier und da kleine, vereinzelte Baumgruppen, deren Kronen ein einziges großes, dicht besiedeltes Krähennest formen.

Jedoch kann es hier manchmal sogar geradezu paradiesisch schön sein – vor allem kurz nach der Dämmerung, wenn die Sonne hinter dem entfernten Frederiksberg Bakke4 untergegangen ist, und Kopenhagens Kuppeln und Türme wie eine prächtige Fata Morgana mit goldenen Linien über dem blauen Dunst der Stadt gezeichnet erscheinen. Die weißen, ganz flachen Felder, die trotz der Dämmerung rundherum bis zum ungebrochenen Horizont zu sehen sind, aus dem sich die Kuppel des Himmels in ihrer ganzen Pracht erhebt – alles erinnert einen an die jütländische Heide, und man könnte sich bisweilen sogar dorthin versetzt sehen, wenn nicht ein ständiges Rumpeln auf den harten Steinstraßen einen jeden Augenblick aus der Illusion holte.

Denn auf Amager herrscht ständig Verkehr. Selbst zur dunkelsten Nachtstunde hört man das Geräusch mindestens einer Kutsche, und tagsüber sind alle Straßen reihenweise mit den bekannten kleinen Amager-Fahrzeugen gefüllt, jedes mit einer Haube tragenden Kutscherin.

Knotenpunkt dieses Verkehrs ist wohl Store Magleby oder das Holländerdorf, wie es auch genannt wird, weil sich hier zur damaligen Zeit die ersten holländischen Siedler niederließen – ein stattliches, gepflastertes Dorf, das hauptsächlich aus großen Bauernhöfen mit dichtem, grünem Laub auf den Mauern und Dächern besteht, mit ordentlich geschnittenen Hecken, sorgfältig gepflegten Blumengärten und diesen für ganz Amager charakteristischen Wetterfahnen, die mal fliegende Drachen, mal springende Pferde mit einem Ritter auf dem Rücken, mal Fische oder Schiffe darstellen.

Man sieht sofort, dass hier Menschen leben, die es sich leisten können, etwas für Prunk auszugeben, und über mehrere von ihnen heißt es auch, dass sie "ihr Geld nicht mehr zählen können". Und auch die Maglebyer Bauern betrachten sich selbst als etwas anderes und Besseres als einen gewöhnlichen Balleruper Bauern, obwohl ihre Frauen mit Kohl und Petersilie zum Marktplatz fahren und die Töchter wie gewöhnliche Arbeiterinnen auf den Möhrenfeldern Unkraut jäten. Man braucht sie bloß sonntags in der Prunkkutsche mit den herausgeputzten Frauen um sich herum in den Wald fahren sehen, die Leinen stramm über die dicken Traber gezogen, um zu spüren, dass sie wissen, was sie wert sind.

Daher stammt auch ihre berühmte Unzugänglichkeit. Für einen Fremden ist es schwierig, weiter als bis zu ihrem Tor zu kommen – und weiter bin auch ich noch nicht gekommen.

Urbanus.

 
[1] Der dänische Dichter Jens Christian Hostrup verfasste Mitte des 19. Jahrhunderts den komödiantischen Einakter Intrigerne (dt. "Die Intrigen"). tilbage
[2] Ironische Beschreibung, dass zu dieser Zeit Exkremente der Kopenhagener Bevölkerung zur Vergrabung nach Amager gekarrt wurden. tilbage
[3] Instrument zum Messen der Höhe von Geländepunkten. tilbage
[4] Frederiksberg Bakke: Hügel bei Frederiksberg. tilbage