Zwei Freunde

Neulich stürmte Pastor Hornung aus seinem Studierzimmer, mit wehendem Morgenrock und einem geöffneten Brief in der Hand. Hastig schritt er den Flur entlang und riss mit großem Gepolter die Tür zur Wohnstube auf, in der alle seine zehn Kinder an den Fenstern saßen, den Nebel betrachtend, der sich in der schmalen Straße der Provinzstadt senkte.

"Mutter? Wo ist Mutter?" … Anna, Peter, Line – holt ganz schnell Mutter her. Und sagt ihr, dass sie sich sputen soll – es ist dringend."

Die kleinen dicken Körper auf den Stühlen und in den Fensternischen gerieten in aufgeschreckte Bewegung. Doch im selben Augenblick kam eine kleine Frau mit Haube und Latzschürze aus der Küche.

"Hier bin ich, Liebster – was gibt es?"

"Neuigkeiten! – große Neuigkeiten, das kannst du mir glauben. … Stell dir vor, hier habe ich einen Brief von Krøyer, meinem guten, alten Freund und Studienkameraden, den ich, glaube ich, seit acht Jahren nicht gesehen habe. Weißt du, was er schreibt? Er ist auf Geschäftsreise, schreibt er, und – ja, jetzt kommt das Freudige – trifft heute mit dem Mittagszug ein, um uns zu besuchen."

"Ist das wahr?"

"Ja, ist das nicht großartig! Ich hätte es kaum für möglich gehalten, dass er wirklich einmal Ernst machen und uns an diesem abgelegenen Ort aufsuchen würde. Verstehst du, er nimmt diesen Weg nur auf sich, um uns zu besuchen. Wahrlich, ich hätte mir keine schönere Überraschung erträumen können. Der alte Freund, wie ich mich doch nach ihm gesehnt habe. Ach – das wollte ich noch sagen … du musst dich gleich ans Essen machen, Mette. Er bleibt hier nämlich nur ganz kurz. Er muss mit dem Abendzug wieder weg …'unaufschiebbare Geschäfte', schreibt er. Aber vielleicht bleibt er auf dem Rückweg länger."

"Dann kann er also jeden Moment eintreffen."

"In zwei Stunden – in zwei Stunden! Um drei Uhr kommt der Zug. … Übrigens, wir brauchen eine Droschke. Du, Otto, lauf zum Fuhrmann Andersen und bitte ihn, um Punkt drei Uhr – um Punkt drei, hörst du – am Bahnhof zu sein. … Und, warte noch, lauf sofort zu Callesen und kauf sechs Zigarren zu fünf Kronen dreißig – aber beeil dich, mein Junge!"

"Lieber Hornung, ist das denn notwendig mit der Droschke?"

"Ja, Mutter, ja! Er soll nicht durch Schmutz und Matsch gehen müssen, der liebe Freund. … Und hör mal, Mette, mir fällt gerade ein, könntest du nicht geschwind etwas guten Fisch besorgen – das ist sein Leibgericht, erinnerst du dich … zum Beispiel Karpfen? – Du würdest ihm mit einem Karpfengericht gewiss eine große Freude machen."

"Aber Hornung – wo soll ich denn Karpfen herbekommen?"

"Stimmt, ja. Aber Wein brauchen wir. Peter, lauf zu Schneider und kauf eine Flasche guten Burgunder zu einer Krone. Du kannst sagen, dass das Geld ein andermal gebracht wird. … Und ihr dort, Ane, Line, Hanne – ihr könnt hier etwas aufräumen. … Seht, all der Krempel dort auf dem Boden. … So ist es recht. Also, Mädchen, ihr macht es schön hübsch, bis Vaters alter Freund kommt!"

Zwei Stunden später saßen alle Kinder – vom ältesten Dreizehnjährigen bis zum jüngsten Vierteljährigen – gleichmäßig um die Fenster der Wohnstube verteilt, in der ein munteres Feuer im Ofen loderte, alle frisch gewaschen, gekämmt und mit erwartungsvoll leuchtenden Augen. Die Ältesten hielten die Jüngsten. Und der Pfarrer ging schwarz gekleidet auf und ab, in eng geknöpftem Gehrock und blank geputzten Stiefeln – mit langen, kräftigen Schritten und den Händen auf dem Rücken.

"Nun, Kinder – seht ihr immer noch keine Droschke?"

"Nee", antwortete eines.

"Also, ihr nickt allesamt artig, wenn sie kommt – denkt ihr daran?"

"Ja", antworteten sie im Chor.

"Anna und Line, Mädchen – habt ihr ein Taschentuch? Nun. Dann dürft ihr gern winken, wenn ihr wollt. Und du, Svend – halt schön Ausschau zur Straßenecke. … Was ist das, ich glaube, da hat was gerumpelt?"

"Das kam vom Sägewerk, Vater."

"Ach – das stimmt, Svend. Also, du passt gut auf. Und Line, hast du daran gedacht, den Wein an den Kachelofen zu stellen?"

"Ja, doch."

"Und hast du am Tor Sand gestreut?"

"Ja."

"Gut! … Wie heißt noch mal Vaters alter Freund, Kinder?"

"Krøyer", antworteten sie wieder einstimmig.

"Und was ist er?"

"Zollbeamter."

"Richtig, richtig. Ihr seid brave Kinder. … Siehst du immer noch nichts, Svend?"

"Nee. – Aber, Vater, wer ist der Mann, der da draußen auf der Straße steht und uns zunickt."

"Was sagst du da? Draußen auf der Straße steht ein Mann und nickt euch zu?"

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand tatsächlich ein kleiner dicker Mann in feiner Kleidung, mit freundlichem Gesicht, grauem Backenbart und Nickelbrille.

"Mein Gott! Da ist er ja! Nickt Kinder – nickt! Nickt!", und während sich die neun kleinen Köpfe in nickende Bewegung setzten, öffnete der Pfarrer hastig die Tür zum Esszimmer, während er mit lauter Stimme rief: "Mette, beeil dich, er ist da!" – woraufhin er durch den Flur zur Haustür eilte, an der es im selben Moment schellte.

Das war eine Begrüßung und eine Wiedersehensfreude! Selbst die lebhaften braunen Augen des kleinen feinen Mannes waren ein wenig feucht, als sie sich die Hände schüttelten.

"Willkommen, herzlich willkommen, lieber alter Freund! Ach, welche Freude du mir damit machst, uns in dieser Einöde aufzusuchen! … Aber wo ist die Droschke? Ich hatte doch eine Droschke geschickt …"

"Du hattest eine Droschke geschickt, mein Lieber? Ja, da war eine am Bahnhof; aber ich muss zugeben, dass es mir ehrlich gesagt nicht in den Sinn gekommen ist, sie könnte für mich bestimmt sein. Das wäre doch nicht notwendig gewesen …"

"Ach, wie großartig! Hörst du, Mette. … Meine Frau kennst du ja; – wie du siehst, hat sie sich nicht verändert. Aber, komm doch rein, komm rein! … Hier sind die Kinder, eine ganze Kompanie – verbeugt euch, Jungs! – fast ein ganzes Dutzend. Ja, das kannst du mir glauben, wir sind beschäftigt. Nun, damit wirst du vorliebnehmen müssen, alter Freund! … Aber, mein Lieber, du hast ja noch den Mantel an! Peter, Svend, Otto – kommt und helft! Und Line – hier, nimm den Hut – und den Regenschirm …!"

Kurz darauf saßen sie beim Essen.

Es war nur für drei gedeckt. Die Kinder standen draußen und lugten abwechselnd durch den Türspalt herein.

Der Zollbeamte hatte als galanter Kavalier der Gastgeberin zuvor seinen Arm angeboten, und diese hatte, als sie den Deckel von der dampfenden Terrine hob, ihren Gast mit einem einnehmenden Lächeln gebeten, mit 'einfacher Hausmannkost' vorliebzunehmen.

Es gab klare Suppe mit Markklößchen. Danach kam gebratenes Kalbfleisch mit Blumenkohl auf den Tisch. Doch die zwei Freunde registrierten kaum, was sie aßen, so sehr waren sie durch die Gesellschaft des anderen in Anspruch genommen. Der 'Braten' war bereits halb verzehrt, als die Ehefrau ihren Mann mit einem "Hornung – du vergisst einzuschenken" unterbrechen musste.

"Ja, du hast recht, mein Kind – den Wein habe ich ganz vergessen! Du musst diesen Burgunder kosten, mein Freund, der ist vortrefflich. Es ist die volle reine Traube, hat mir der Krämer Schneider versichert. … Das hat übrigens auch, erinnerst du dich, dieser Bohn, der rote Bohn aus der Klosterstræde gesagt – ha, ha, ha!" … Und damit waren sie wieder bei den unerschöpflichen Erinnerungen aus ihrer Studentenzeit.

Zum Schluss gab es Obst. Herr Krøyer war nämlich ein großer Obstliebhaber, und Hornung, der sich daran erinnert hatte, war in den zwei Stunden bis zur Ankunft selbst in die Stadt gegangen, um das Beste auszusuchen, was sich auftreiben ließ.

"Ja, das waren glückliche Zeiten", sagte der Zollbeamte schließlich, während er betrübt den Kopf schüttelte. "Heutzutage wünscht man sie sich oft sehnlichst zurück."

"Ja, du hast recht, Anton! Die Zeiten haben sich verändert", antwortete der Pastor; und auch in seiner Stimme lag plötzlich etwas Düsteres. "Es ist hart dieser Tage."

"Sie haben gewiss noch Ihren entzückenden kleinen Garten, Herr Krøyer?", schob in diesem Moment Frau Hornung auffallend hastig ein, während sie im Begriff war, Obst anzubieten.

"Ja, gnädige Frau – noch."

"Noch?", fragte der Pastor. "Du hast doch nicht im Sinn, dich von ihm zu trennen. Oder bist du jetzt vielleicht mit einer anderen Verrücktheit beschäftigt?"

"Keineswegs, mein Lieber! – es ist eher eine Verrücktheit, die mich beschäftigt. Offen gesagt, ich denke daran wegzuziehen. Ich halte es dort kaum noch aus."

"Was? Gerade du, der früher so begeistert war …"

"Ja – aber, wie du gerade ganz richtig gesagt hast, haben sich die Zeiten gerändert. Es ist, ohne übertreiben zu wollen, bei uns schlichtweg nicht mehr auszuhalten", sagte er, und die sonst so freundliche und friedliche Stimme war allmählich bitter geworden und fing an zu zittern.

Die beiden sahen ihn fragend an.

"Ja, ich weiß nicht, wie es sich hier bei euch verhält. Möglicherweise habt ihr noch das Glück, einigermaßen frei zu sein. Aber bei uns hat der politische Fanatismus in solch einem Maß um sich gegriffen, dass er – offen gesagt – alles verpestet. Es ist vollkommen unglaublich, wie sich dieses Gift ausgebreitet hat – und der Fanatismus tritt mit einer Frechheit auf, die ohnegleichen ist. Stell dir vor, die haben dort in der Stadt jetzt sogar eine sogenannte 'liberale Wählervereinigung' gegründet. Der reinste Radikalismus. Ein Anwalt (natürlich!), ein paar Handwerker und Kaufleute, ein paar richtige Vagabunden, wollten auf sich aufmerksam machen, und vor Kurzem haben sie einen Abgeordneten dazu gebracht, einen mächtigen Wirbel zu veranstalten – ein kompletter Scharlatan, der mit einem Schwall Phrasen der widerwärtigsten Art auftrat. Doch das Unbegreiflichste ist – und da haben wir einige Bespiele erlebt – dass verhältnismäßig vernünftige und anständige Leute, ja sogar gebildete Menschen, Ärzte und dergleichen, sich von solch einem Kerl beschwatzen lassen. Kannst du dir das vorstellen?"

Pastor Hornung antwortete nicht. Sein Gesicht hatte plötzlich die Farbe gewechselt, und er blickte starr auf sein Messer, das er in der Hand hin- und herbewegte.

"Aber mich verwundert fast mehr", fuhr der Freund unbekümmert fort, "dass die Regierung so etwas duldet. Sie hat doch schon gezeigt, wie sie die Kerle im Griff hat. Hoffen wir, dass sie diese ganze Bande von Taugenichtsen eines schönen Tages schnappt und nach Kristiansø schickt – weiß Gott, vorher bekommen wir in diesem Land keinen Frieden. Findest du nicht auch?"

Doch als Hornung auch diesmal nicht antwortete, blickte er zu ihm hinüber. Zunächst wollte er seinen Augen nicht trauen. Dann wurde sein rundes Gesicht ganz weiß, und sein sonst so ruhiger Körper geriet in Bewegung und pflanzte sich bis in die dicken, kurzen Finger fort, die zwischen den Brotkrümeln auf der Tischdecke krampfhaft herumtasteten.

Es entstand eine peinliche Stille. Glücklicherweise begann die Hausherrin in ihrer Not ein Gespräch über die Vorzüge verschiedener Obstsorten, an dem sich beide mit vereinzelten Bemerkungen beteiligten; kurz darauf wurde die Tafel aufgehoben.

"Möchtest du rauchen?", versuchte Hornung im alten kameradschaftlichen Ton.

"Ja, gern. Eine kleine Prise Tabak wäre vielleicht …"

"Wollen wir in meine Stube gehen? Bitte sehr. Mette, möchtest du mit …?"

"Ich koche Kaffee. Und dann bringe ich ihn mit."

Als sich die Tür hinter ihnen schloss, suchte sich jeder seine Ecke in der Stube und mied den Blick des anderen. Der Zollbeamte gab sich der Betrachtung eines Gemäldes hin, das an der Wand hing.

"Das ist hübsch", sagte er. Doch gleichzeitig strich er sich mit der Hand über die Stirn, auf der der Schweiß in klaren Perlen stand.

"Zigarre oder Pfeife?"

"Danke – ich glaube, Zigarre."

Als er Feuer bekommen hatte, setzte sich Krøyer auf ein breites Sofa in der Ecke, Hornung hingegen in einen Sessel im Schatten des Lampenschirms.

"Wir haben zurzeit ekliges Wetter."

"Ja – es wäre nicht gut, wenn das bis Weihnachten anhalten würde."

"Nein, richtiges Weihnachtswetter kann man das nicht nennen."

Stille.

"Ihr hattet hier in der Gegend sicherlich auch eine gute Ernte dieses Jahr?"

"Ach was – eher eine durchschnittliche."

"Ja, so war es wohl fast überall."

"Ja, wo sie im Hochsommer keinen Regen hatten, liegt sie wohl eher darunter."

"Dort liegt sie vielleicht eher darunter, ja."

"Aber die Heuernte war fast überall außergewöhnlich gut."

"Gewiss."

Stille.

"Da auch überall im Ausland die Ernte gut ausgefallen ist, hat das leider die Preise gedrückt, wie man sieht", begann der Zollbeamte von Neuem.

Doch diesmal stand Hornung auf und trat auf ihn zu.

"Anton", sagte er gedämpft und sichtlich bewegt. "Sollen wir diese Unterhaltung nicht abbrechen? Ich denke, unsere Freundschaft ist zu alt und gut für solch eine Komödie. Lass es uns ganz offen sagen: Wir können nicht länger miteinander reden – dagegen kann man nichts tun, aber lass uns zumindest ohne dieses Schauspiel auseinandergehen."

"Du hast recht", sagte Krøyer und stand auch auf.

Sie gaben sich die Hand.

"Es dürfte ein Trost für uns sein, Anton, dass wir nicht die ersten und nicht die letzten Freunde sein werden, die diese Zeit trennt."

Krøyer blickte auf und seufzte. An einem seiner ehrlichen Augen hing eine kleine Träne. Dann senkte er den Kopf. "Grüß deine Frau, Anton – Auf Wiedersehen."

Als die Hausherrin kurz darauf den Kaffee brachte, sah sie sich verwundert um.

"Was ist los? Bist du allein?"

"Ja."

H. P.