Ein Vorschlag

Allerorts wird darüber geklagt, wie schwierig es sei, in der Welt weiter zu kommen. Es heißt, alle Wege seien so ausgetreten; man drängt und stößt sich überall und stellt seinen Konkurrenten nach bestem Vermögen ein Bein, um selbst nicht auf der Strecke zu bleiben.

Die Sache ist die, dass es den Leuten an Einfallsreichtum mangelt, dass sie keine Ideen haben. Anstatt neue Arbeitsfelder zu betreten oder zumindest neue Methoden in den bisherigen zu versuchen, wandeln die meisten Menschen gemächlich in den gewohnten Spuren und wundern sich noch darüber, dass sie keine Millionäre werden.

Dabei gibt es in diesem Land doch so viele Möglichkeiten, die einfach nicht genutzt werden. Die wenigen, die eine wirklich neue Idee gehabt haben und es geschafft haben, diese in die Tat umzusetzen, sind beinahe alle wohlhabende Leute geworden. Müssen wir Namen nennen?

Ist es zum Beispiel nicht seltsam, dass es in einer Stadt, die mit allen Arten von Magenleiden so reich gesegnet ist wie Kopenhagen, nicht ein einziges Restaurant gibt, wo man darauf gekommen wäre, sich durch eine Speisekarte für Leute, die Diät halten sollen, von anderen abzuheben? Es geschieht oft genug, dass ein Arzt einem Junggesellen mit Verdauungsproblemen, der keine eigene Küche hat, rät, seinen Magen zu schonen – er wandert von Restaurant zu Restaurant und alle verströmen sie den Geruch von Sahnesauce und gebratenen Zwiebeln und die Speisekarten werben mit lauter Gerichten, deren bloße Namen einen schon zwingen sich abzuwenden und zurück in die Einsamkeit zu flüchten.

In der ganzen Stadt lässt sich nicht eine anständige Gaststätte finden, in die man hineingehen und eine Portion Grütze oder eine Schale Haferschleim verlangen kann ohne zum allgemeinen Gespött zu werden. Wer kennt nicht diese unheimliche Stille, die, wie ein besonders hässlicher Bengel, durch eine Gaststube geht, wenn ein Herr mit bleichem Gesicht hereinschleicht und dem Ober verlegen zuflüstert: "Eine Tasse Sahlep"1. Ringsherum an allen Tischen ziehen die Gäste bei diesen Worten ein Gesicht, als ob das mit Genuss verzehrte Steak oder Kotelett sich ihnen plötzlich im Magen umdrehen würde. In großen, vorsichtigen Bögen umgeht der Ober den Stuhl, auf dem der Unglückliche sitzt, den Blick zu Boden gerichtet, und sobald er gegangen ist, werden die Fenster hinter ihm aufgerissen und ein vorlauter Stammgast ruft unversehens:

"Ober! … Einen Schnaps!"

Wenn man nun bedenkt, für wie viele es eine Notwendigkeit ist, strengstens Diät zu halten, nicht nur ein paar Tage lang, sondern über Monate, ja ganze Jahre, dann versteht man, wie schlecht es um diese Menschen zur Zeit bestellt ist, wenn sie nicht das Glück haben, ein eigenes Haus und Heim zu besitzen; und man kann getrost sagen, dass einer tief empfundenen Sehnsucht abgeholfen werden könnte, wenn ein umsichtiger Restaurantbesitzer sich darauf verlegen würde, sein Etablissement nach solcher Leute Bedürfnisse auszurichten.

Und er würde sicherlich nicht zuletzt sich selbst damit dienen, besonders, wenn er es verstünde die Krankenspeisen hübsch anzurichten und abwechslungsreich zu gestalten.

Es wäre erfreulich, wenn diese Zeilen den ein oder anderen zumindest zu einem Versuch ermutigen könnten.

K.

 
[1] Sahlep: Pflanzenextrakt, der als Mittel gegen Durchfall verwendet wird. tilbage