Die Moorfrau

Mit einer Zeichnung von Georg Achen.

– – Seit über drei Stunden fuhren wir Stück für Stück über einen sandigen Weg, der sich tief zwischen hohen Hügeln mit prächtigen, dunklen Heidekräutern zu beiden Seiten hindurchschlängelte. Zu unseren Füßen duftete der Gagelstrauch, über unseren Köpfen ertönten die Himmelsglocken der Lerchen aus der stillen, blauen Sommerluft.

Es war später Nachmittag, und die Sonne brannte unbarmherzig auf die trockene, schattenlose Böschung nieder. Die großen, schwarzbunten Ochsen trotteten träge vor sich hin und schüttelten nur hier und da ihre kolossalen Köpfe, um die Fliegen zu verjagen, die sich um ihre langen Hörner tummelten. Das Geschirr knirschte, die Wagenräder knarrten im knöcheltiefen Sand. Der ältere, gekrümmte Bauer, der uns fuhr, verfiel ein paar Mal in sanftes Schnarchen, und seine junge, gesprächige Tochter von sechzehn Jahren, die hinten auf dem Wagenboden saß und ihre braungebrannten Beine zwischen den Rädern baumeln ließ, faltete immer wieder die Hände über dem blonden Nacken und gähnte, sodass die Tränen ihre runden Wangen hinabrannen.

Wir waren auf dem Weg in ein großes Moor, wo der Bauer und seine Tochter eine Fuhre Torf holen wollten, und hatten uns ihnen einfach aus Spaß an der Freude angeschlossen – weil das Wetter schön, das Moor einsam und reich an Enten war, und die fröhliche Bauerstochter versprochen hatte, uns die Stelle zu zeigen, wo man vor wenigen Tagen die zusammengekauerte Leiche eines jungen Mannes gefunden hatte, der sich nachts im Moornebel verirrt hatte.

Das junge Mädchen kannte sich in dieser Angelegenheit besonders gut aus, da der junge Mann der Geliebte einer engen Freundin gewesen war. Während der langen Fahrt erzählte sie unaufhörlich von dieser Begebenheit, die bei allen einen so unheimlichen Eindruck hinterlassen hatte, – wie er gegen Abend glücklich und zufrieden von seinem Zuhause jenseits des Moors fortgegangen war, um die Geliebte zu besuchen, die hier in der Nähe wohnte; wie ihn dann vermutlich der Nebel überrascht hatte, er verwirrt worden und zuletzt ganz benommen war. Die Leute von den umliegenden Hügeln meinten, in der Nacht etwas wie Rufe oder Schreie von draußen gehört zu haben. Ein alter, alleinstehender Mann, "der schwarze Ole", dessen Haus abgelegen auf einer Landspitze stand, war sogar aus dem Bett gekrochen und hatte das Fenster geöffnet, um zu lauschen. Doch da war schon wieder Stille eingekehrt; und am Morgen darauf hatten sie den Mann gefunden – fürchterlich zugerichtet, mit verzerrtem Gesicht, durchgebissener Zunge und die bleiche Hand verkrampft um einen dicken Stock geklammert –, als wäre er im Kampf gegen Gespenster umgefallen.

Außerdem stellte sich heraus, dass dieses Moor keineswegs zum ersten Mal Menschenopfer gefordert hatte. Im Lauf der Jahre waren Leute, die sich nach Sonnenuntergang dorthin gewagt hatten, nicht allzu selten spurlos verschwunden, ja, einmal – erzählte sie – war es geschehen, dass ein ganzer Wagen voller herausgeputzter, fröhlicher Hochzeitsgäste in einer Sommernacht im Nebel verschollen war, die man erst viele Jahre später als weiße, zusammengekauerte Skelette tief unter dem Torfstich wiedergefunden hatte … Ob das nicht schrecklich sei?

"Das macht natürlich alles sie, die Moorfrau", – sagte sie schließlich, als sie plötzlich aufhörte, die Beine baumeln zu lassen, und mit ihren schönen, blauen Augen vor sich hin blinzelte.

"Glauben Sie daran?"

"Sie etwa nicht?"

"Ich weiß nicht – –"

"Ich jedenfalls nicht", lachte sie. – – – "Aber mal angenommen, es gäbe doch eine solche Frau", fügte sie kurz darauf hinzu und starrte wieder bedächtig ins Leere, als beunruhigten sie ihre eigenen Geschichten nun bei der Vorstellung, sich dem verhängnisvollen Ort zu nähern, wo solch traurige und finstere Erinnerungen weilten.

Inzwischen hatten wir den endlosen Hohlweg hinter uns gebracht und einen ebeneren Pfad zwischen niedrigeren Hügeln erreicht, wo hier und da kleine Hütten mit bestelltem Feld oder einem Garten zum Vorschein kamen. Plötzlich bog der Wagen nach links ab, und vor unseren Augen öffnete sich ein weitläufiges Tal.

Das Moor. Einsam und düster breitete es seine dunkle Oberfläche zwischen den kahlen und trockenen Hügeln aus, die es von allen Seiten umgaben. Ein leichter, bläulicher Rauch schwebte an einigen Stellen, und rundherum starrten uns mit Wasser gefüllte Torflöcher nahezu trübsinnig an. Ein paar Kiebitze flatterten unruhig über die Heidebüsche, als wollten sie mit ihren nervösen Schreien die Einöde zum Leben erwecken. Doch ihre schüchternen Stimmen ließen die Stille noch schwerer, die Unheimlichkeit noch lebhafter werden – als hauste hier noch ein schlechtes Gewissen, das über dem kürzlich begangenen Mord brütete.

Eine Radspur verlief über das Moor; und nach einer weiteren Stunde langsamer Fahrt über den schwankenden Untergrund gelangten wir endlich zum Torf des Bauern.

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*

Die Sonne ging bereits unter, und der Himmel über unseren Köpfen war rot wie eine Flamme, ehe der Bauer den Torf aufgeladen hatte, und wir wieder aufbruchsbereit waren. Wir hatten unser Abendbrot in der Moorheide gegessen und bei Branntwein und Bier die uns allseits umgebende finstere Melancholie verjagt. Jetzt saßen wir alle gut gelaunt auf der großen Ladung, die wie Dachziegel aufgeschichtet war.

Da aber geschah etwas Unerwartetes. Aufgrund des ordentlichen Gewichts und der langen Wartezeit war der Wagen Stück für Stück im weichen Moorboden versunken, und obwohl die Ochsen sich hufescharrend mit aller Kraft ins Zeug legten, gelang es ihnen nicht, ihn vom Fleck zu bewegen. Uns blieb daher nichts anderes übrig – wir mussten alle wieder absteigen.

Doch selbst das half nicht. Trotz vereinter Kräfte blieb das Gefährt regungslos stehen, ja, schien gar noch tiefer im Morast zu versinken.

Da war guter Rat teuer. Die Dunkelheit senkte sich bereits unheimlich über das Tal und aus den Poren des seichten Bodens quollen nach und nach weiße Dämpfe wie aus einem undichten Topfdeckel. Das junge Mädchen wurde sogleich ein wenig blass um die Nase und schaute sich ein paar Mal ängstlich um, als befürchtete sie eine Gefahr hinter ihrem Rücken. Der Bauer fluchte zähneknirschend und schlug mit dem harten Ende der Peitsche nach den hervorstehenden Lenden der Tiere, während wir anderen mit bloßen Händen an den Rädern zogen und schoben, was das Zeug hielt. Aber nichts half. Es war, als hielte eine unterirdische Kraft die Räder gefangen und zöge sie immer weiter zu sich.

Schließlich blieb keine andere Wahl – wir mussten die Ochsen abspannen, die Deichsel herausziehen und unter den Vorwagen legen, um die Räder aus dem Morast zu hebeln. Das gelang mit großer Mühe, und als wir die Ochsen wieder vorgespannt hatten, bekamen sie den Wagen endlich mit einem kräftigen Ruck zu fassen, sodass wir losfahren konnten.

Es war auch höchste Zeit. Das ganze Tal glich nun einem einzigen kochenden Kessel, aus dem weißer Dampf über unsere Köpfe stieg und den Himmel vor unseren Blicken verbarg. Wir konnten kaum zwanzig Schritte weit sehen, und zu beiden Seiten der schemenhaften Radspur, die sich mitunter vollkommen in der Heide verlief, lagen unzählige tiefe Torflöcher, die der Dunst verdeckte.

Es war keineswegs angenehm. Das junge Mädchen begann bald zu jammern, doch auch der Bauer wirkte besorgt und blickte sich mit seinen kleinen Adleraugen um … Plötzlich erstarrten wir alle vor einem sonderbaren, surrenden Geräusch, das aus dem Nebel kam. Wir tauschten fragende Blicke – das Geräusch wiederholte sich und schien näherzukommen.

Das junge Mädchen wurde leichenblass und griff krampfhaft nach dem Arm des Vaters.

Ist sie das, fragten ihre starrenden Augen.

Wir versuchten sie damit zu beruhigen, dass das gewiss die Enten waren, die sich auf die Suche nach einem Schlafplatz machten, aber damit gab sie sich nicht mehr zufrieden. Sie drückte sich an den Vater und begann zu weinen.

Der Vater, ganz gelb vor Gereiztheit und Verängstigung, stieß sie wütend von sich und schlug wieder auf die Tiere ein, die zitternd und prustend mit großen, geröteten Augen nach hinten schauten.

Mit einem Mal blieben sie stehen, ihre Beine ließen sich nicht mehr von der Stelle bewegen. Sie drückten sich gegen die Deichsel und streckten die Schnauzen in die Luft.

Wir merkten, dass wir vom Weg abgekommen und in den Morast geraten waren, der uns nicht länger tragen konnte, und von dem wir so schnell wie möglich wegkommen mussten. Mühsam ließen wir die Ochsen wenden, aber den Weg konnten wir nicht wiederfinden.

Da zuckten wir alle auf einmal vor einem pfeifenden Sausen direkt über unseren Köpfen zusammen. Es dauerte ein paar Sekunden, dann war alles wieder still. Doch selbst der Bauer sah diesmal zu uns – wie auf der Suche nach Bestätigung, dass dies wirklich und wahrhaftig geschah.

Das junge, bleiche Mädchen hingegen brach wieder in Tränen aus, und als wir ihr zu schweigen geboten, begann sie zu schreien, ja, rief schließlich um Hilfe.

Das verhalf uns allerdings zur Rettung. Ein paar Männer, die zufälligerweise vor einer Hütte auf dem Hügelkamm in ein Gespräch vertieft waren, hörten einen der Rufe, besorgten sich Lampen und kamen uns zur Hilfe.

Henrik Pontoppidan.