Der Winter

II.

Dann kam endlich der Frost – still und vorläufig ganz sachte.

Dennoch verwandelte er im Nu das Aussehen der Stadt. Im Laufe einer Viertelstunde wurden die klebrigen Straßen trocken und glatt wie ein Tanzparkett, feine Spiegel aus Kristall bedeckten die Rinnsteine, alle Spaziergänger bekamen eine rote Nase und als zuletzt selbst die Sonne für einen Augenblick auf die Idee kam – gewiss ein wenig schlaftrunken – aus ihren Wolken-Decken herauszublinzeln, um wie ein altes Mütterchen auch ihre Stiefkinder im neuen Jahr zu begrüßen, ging uns das bedrückte Weihnachtsherz wieder auf und wir fanden, dass Kopenhagen doch eine ganz schöne, saubere und behagliche Stadt ist.

Man kann dies nämlich allmählich vergessen, wenn man einige Wochen lang nicht einmal so viel blauen Himmel gesehen hat, wie auf einen Nagel passt, wenn man sich Tag für Tag mit Galoschen durch die gewohnte, drei Zoll dicke Grütze über die Straßen pflügen musste, sodass man sich am Morgen kaum dazu bringen konnte, die Augen aufzuschlagen, aus Furcht vor dem Anblick seiner bespritzten Beinkleider, die einem von der Türangel mit all dem Schmutz des Vortags entgegen grinsen. Alle farblosen Häuser der Stadt schmollen in dem äußerst schmierigen Kopenhagener Nebel, der die Finger klebrig macht und sich mit einem so ranzigen Geschmack auf die Zunge legt, dass man sich unwillkürlich fragt, warum unsere geschäftstüchtigen Margarinehersteller nicht versucht haben, ihr Produkt daraus zu gewinnen, so, wie man seinerzeit zu ähnlichem Zweck den Schlamm der Themse benutzte.

Am verdrießlichsten war dieser Nebelwinter jedoch für die Glücklichen, die im Besitz eines Spazierpelzes und einer schicken Seelöwenfellmütze sind, und die sich jetzt drei Monate lang ungeduldig nach einer Gelegenheit sehnten, mit diesen so begehrten Zierden Neid zu wecken. Mein Freund, Doktor Momme, der sich schon im Oktober ein herrliches Zobelfell angeschafft hatte, das ihm die reiche und vornehme Praxis einbringen sollte, nach der es ihn so lange dürstete, hat in diesen letzten Monaten all seine Patienten mit einer Gastritis angesteckt, die er sich vor lauter Verdruss zugezogen hatte.

Aber gestern traf ich ihn auf der Straße – stolz und lächelnd, wie ein Mann mit bester Verdauung. Er hob mir gnädig grüßend eine Hand entgegen, und ich bin mir ziemlich sicher, dass er mit dem wunderbaren Scharfblick neu eingekleideter Menschen für Bekleidungsschwächen anderer sofort entdeckte, dass mir einer der kleinen Knöpfe auf meinem linken Mantelärmel fehlte.

Im selben Augenblick liefen mir einige unüberhörbare Herren über den Weg, die aus einer nahegelegenen Gaststätte kamen. Sie hatten augenscheinlich gerade angeregt zu Mittag gegessen, und einer von ihnen blieb stehen, um sich umzusehen.

"Was zum …! Es gab Frost, während wir drinnen saßen … oder?["]

"Frost!", wiederholte ein älterer Kavalier mit tiefrotem Gesicht und fuhr sich mit dem Taschentuch über die Stirn; er hatte den Hut noch nicht richtig auf. "Ich glaube, Sie sind verrückt, Peddersen. Ich schmelze fast vor Hitze."

"Ganz egal", sagte ein anderer. "Ich für meinen Teil finde es beißend kalt. Ausgezeichnet! Dann steigen die Kohlepreise!"

"Unsinn!", beharrte der halsstarrige Alte, und zankend setzten sie ihren Weg die Straße entlang fort.

An der Ecke trippelte eine große, jämmerlich aussehende Gestalt verfroren vor einer kleinen Karre mit alten Äpfeln, die sie zum Verkauf anbot, auf und ab. Der Mann hatte lediglich einen zerschlissenen Mantel um die schmutzigen Überreste seines Hemdes geknöpft, und an seinen dünnen Beinen schlackerte eine viel zu kurze, graue Sommerhose. Sein altes, zerfurchtes Gesicht war ganz blau vor Kälte und er blies in seine großen, tauben Hände, während er mit roten, tränenden Augen aufmerksam seine Äpfel bewachte.

Vor dieser Gestalt machte die muntere Gesellschaft Halt und der Alte sagte:

"Zum Henker, Sie haben tatsächlich Recht, Peddersen, – dieses Thermometer kann sich weiß Gott nicht irren. Wir haben wirklich Frost. Ihm klappern ja die Zähne. Hört mal, ich finde, dass wir darauf unbedingt etwas Warmes brauchen. Was meint ihr?"

Darüber wurden sie offensichtlich schnell einig, und Arm in Arm bogen sie in eine andere Straße.

Der Fröstler an der Ecke hielt einen Moment inne und sah ihnen nach. Dann setzte er wieder ungestört sein Trippeln fort.

Und so wird der Arme wahrscheinlich weiterwandern, Tag ein, Tag aus, während der Winter zuschlägt. Und die jungen und alten Herren, die in ihren warmen Spazierpelzen an ihm vorbeigehen, werden an seiner Gesichtsfarbe, seinen tränenden Augen und seiner tropfenden Nase abschätzen, wie viel Grad es in etwa friert.

Aber es gibt viele solcher verlässlicher Thermometer in der Stadt, an den Ecken wie in den Häusern.

Wenn wir richtig darüber nachdenken, hat wohl jeder von uns eine ähnliche Gestalt, in deren Gesicht wir den Grad an Bitterkeit und Not des Winters ablesen können.

Lasst sie uns nicht vergessen! –

L.