Otto Stoessl til Henrik Pontoppidan
Sendt fra Matrasgasse 20, Wien. 7. marts 1921

Wien 7.3.1921

Hochverehrter Herr, ich danke Ihnen sehr für Ihren gütigen Brief1 und freue mich, dass Ihnen das "Haus Erath" halbwegs gefallen konnte. Gewiss besteht eine innere künstlerische Verwandschaft zwischen meinen und Paul Ernsts Arbeiten: das Streben nach geschlossener Form, nach bewusster Bildung, Gliederung und Ordnung des Stoffes, das Streben nach einem Gleichgewicht der Gefühls- und Verstandselemente. Natürlich scheiden sich die Wege, wo die sprachliche und seelische Verschiedenheit des Nord- und Süddeutschen beginnt, die von einander sicherlich weit verschiedener sind, als etwa der Däne und Norweger, ganz abgesehen von der Verschiedenheit des Dramatikers und Epikers, denn Paul Ernst ist auch als Erzähler ein dramatischer und ich sogar als Dramatiker, ich habe zwei oder drei Arbeiten auch dieser Art gemacht, brauche ein episches Element. Dass Sie zwischen erstem 2 und zweitem Teil einen Sprung wahrnehmen und den zweiten Teil minder gelten lassen, betrübt mich, denn hierin zeigt sich so recht die räumliche, geografische Begrenztheit der Wirkung und Aufnahmemöglichkeit von Werken. Für den Oesterreicher war die stoffliche Einheit in der Familie und in der eigentümlichen Verwandtschaft ihres typischen Schicksals in zwei Generationen, so wie in der Verwandtschaft dieser Entwicklung mit der des Bürgertums von Wien selbst gegeben. Der Sprung war eben der, der durch das Bürgertum der Zeit selbst ging und das langsame Hinabgleiten und Sichverlieren in Untergang und Chaos, das den zweiten Teil dichterisch spröder 3 macht, als den ersten, was das darzustellende, der Sinn und das Motiv des Buches. Aber ich verkenne nicht, wie misslich eine solche Gebrochenheit bei einer sonst geschlossenen Form wirkt und wie schwierig es ist, wo künstlerisch eine Dissonanz vernommen wird, auf die reale, politische u. dgl. zugrundeliegende Spannung zu verweisen. Dass Sie diese Dissonanz stärker vernehmen und nicht als dichterisch notwendig anerkennen, beweist mir eben einen Mangel von Stoff und Form, der vielleicht überhaupt nicht zu beheben war oder eben von mir nicht behoben worden ist. Immerhin will ich mich freuen, dass noch genug übrig bleibt, die Dichtung als solche auch für einen fremden Betrachter von Ihrer Einsicht nicht ganz fremd oder belanglos erscheinen zu lassen. Würden Sie wenn ich [blækket afbleget] 4 Sie bäte, etwa einen Verleger oder Übersetzer auf das Buch aufmerksam zu machen, wenn bei Ihnen Interesse für fremde, für deutsche, gar für österreichische Dichter und Stoffe überhaupt besteht. Abgesehen von dem idellen Wert, den es für mich hätte, über die deutsche Grenze hinaus mit einem Werke zu dringen, käme der materielle sehr in Frage, denn wir leben hier in einer Not und Schwierigkeit, von denen sich glücklichere Länder gar keinen Begriff machen können und das bescheidenste Honorar in einer fremden Währung bedeutete für mich ein Vermögen und eine weitreichende Hilfe. Aber das wird wol nicht zu machen sein und es wäre auch zu unbescheiden, Sie damit zu bemühen. Darum haben Sie nur nochmals herzlichen Dank für die Geduld, die Sie an mich und mein Buch gewendet haben und für Ihre lieben Worte danken. Ach könnte ich nur noch einmal nach Norden kommen, wie vor vielen Jahren, ich würde es dann wol wagen, Sie aufzusuchen, so aber [fortsat på første side opad i venstre margin] nehmen Sie meinen Gruss aus der Ferne freundlich auf. Ich bin Ihr ergebener Otto Stoessl

 
[1] Brief: kendes ikke. tilbage