Henrik Pontoppidan

Predigersohn wie Bang, Gjellerup und Nansen ist endlich auch Henrik Pontoppidan, geb. 24. Juli 1857 zu Fredericia. Mit ihm begegnet uns wieder ein echtester Realist, wie Jacobsen einer war – ein geborener Romantiker und Christ, der das Christentum als ärgste, gefährlichste Romantik aus seiner Seele herausbeschwören will. Dies ist nicht nur der Vorwurf der zwei grossen Roman-Serien Pontoppidans – "Det forjaettede Land" (1891 bis 95) und "Lykke-Per" (1898-1904) – mehr oder weniger deutlich ist auch seine ganze Produktion von diesem Streben geprägt. Aller Schwung, aller Pathos, alle Lyrik hat in ihm einen geschworenen Feind – daher geisselt er in "Sandinge Menighed" (1883) den Grundtvigianismus, in "Skyer" (1890) die Verlogenheit und das Phrasenheldentum der dänischen Demokraten, in "Natur" (1890) den modernen Naturdusel, in "Den gamle Adam" (1894) und "Höjsang" (1896) die mit den erotischen Gefühlen und der sogenannten "grossen Leidenschaft" getriebene moderne Abgötterei. Ein ehrlicher, bitterer, desperater Wahrheitsucher ist Pontoppidan und ein abgesagter Feind aller Lüge, aller persönlichen Unwahrheit. Seine Schilderungen aus dänischem Bauersleben – "Fra Hytterne" (1887) – sind wahr bis zur Unbarmherzigkeit. Aber in der tiefsten Tiefe des Pontoppidanschen Gemüts schlägt ein weiches, mildes, trostbedürftiges Herz, und seine grösste Verzweiflung stammt eigentlich daher, dass er recht zu haben glaubt, und dass dem modernen Menschen nur die rasende Revolte – wie in "Nattevagt" (1894) – oder die öde Resignation – wie in "Lykke-Per" – übrig zu bleiben scheint.