Selbstgespräch

Freitag.

Nun hat sich Prinz Christian endlich doch verlobt. Dass die Verlobte ausgerechnet eine deutsche Prinzessin sein würde, hätten vielleicht nicht alle vorausgesehen. Das ist schon fast mehr, als man nach den Ereignissen von 1864 erwarten konnte. Aber die Menschen, und vor allem die Deutschen, sind so viel ich weiß gar nicht so stur, wie ihnen nachgesagt wird. Als Ersatz für Südjütland, dessen sie uns beraubten, weil sie es nun unglücklicherweise brauchten, überlassen sie uns hier aus eigenem freien Willen eine junge und sicher edle und reizende Prinzessin für immer und ewig. Das ist doch wirklich ein netter Zug, der zeigt, dass sie nicht länger Groll gegen uns hegen; und sollten wir, besonders nach diesem Ereignis, unser Konto mit unserem großen Nachbarn vergleichen, wäre es wahrhaftig schwer genug zu entscheiden, wer von uns den Gewinn davongetragen hat. Gewiss annektierte Deutschland Südjütland. Aber dafür haben wir von Deutschland in den vergangenen Jahren durch unsere Klugheit eine Reihe Werte übernommen, die sich für uns als sehr bedeutungsvoll erwiesen. Wir haben uns sowohl die Provisorium-Politik als auch den polizeilichen Despotismus, den Rummel um die Landwirtschaft und viele andere nette Dinge angeeignet. Als Ersatz für das Drittel der alten Monarchie, das uns geraubt wurde, haben die verbliebenen zwei Drittel immer mehr das Aussehen eines von Deutschland eroberten Landes bekommen. Wenn wir so weitermachen, wie wir begonnen haben, kann es wahrhaftig schwer genug werden zu entscheiden, wo Dänemark anfängt und wo Deutschland aufhört.

Ja, wie wahr prophezeite nicht der alte Dichter H.P. Holst, als er seinerzeit mit einer Anspielung auf Schleswig sang:

"Für jeden Verlust findet sich wieder ein Ersatz,
was nach außen verloren geht, das muss nach innen gewonnen werden."1

Wie dem auch sei, diese junge Prinzessin von Mecklenburg kommt nun zu uns wie der personifizierte Frieden mit einem Palmenzweig in der Hand. Ein Mantel junger Liebe legt sich über die alten Verletzungen. König Kristian machte seiner Zeit ja selbst einleitende Schritte in diese Richtung. Und es ist ein Trost zu wissen: Was ein König tut, ist immer recht.2

Henrik Pontoppidan.

 
[1] Für jeden Verlust…: Es war nicht die Rede von einem Lied, sondern von dem Text auf einer Schaumünze für die Nordische Industrie- und Kunstausstellung 1872 (die HP mit seinem Onkel besuchte; vgl. Drengeaar (dt. "Jugendjahre"), Kapitel 6. tilbage
[2] immer recht: Anspielung auf H.C. Andersens Geschichte von 1861: "Was Vater tut, ist immer recht". tilbage