immer interessanter

Fantastische Wesen [I]

Das dritte Heft ist erschienen. Das prachtvolle Werk scheint den Erwartungen vollkommen zu entsprechen, die der Anfang weckte, ja, was den Text angeht, muss man sogar sagen, dass er immer interessanter wird. Die Geschichte über das "Helpferd", die im nächsten Heft fortgesetzt wird, die wir aber bereits in ihrer Gänze kennenlernen konnten1, ist eine selten fesselnde und meisterhaft erzählte Novelle, die sehr an Drachmanns herausragendste Jugendwerke erinnert, und in der das fantastische Element eine weitaus weniger tragende Rolle spielt und deswegen einen weitaus weniger gekünstelten Eindruck erweckt als die vorausgehenden Erzählungen. Diese wurden zum Teil von der Übernatürlichkeit verunstaltet, die den Figuren deutlich aufgezwungen war, weil die Idee des Werkes sie nun einmal fordert. Denn – wie es ein wenig schwammig in der Subskriptionseinladung ausgedrückt wurde – "Der Dichter will uns diese Gestalten [unsere Sagenfiguren] als genau so unter uns lebend zeigen, wie wir selbst den Verhältnissen und Veränderungen menschlicher Schicksale untergeben sind."

Nun ist es eine sehr schwierige, wenn nicht gar unmögliche Aufgabe, die dem Dichter hier gestellt wird, oder – Verzeihung – die der Dichter sich selbst gestellt hat. In Wirklichkeit ist es nicht möglich, die fantastischen Gestalten des Volksaberglaubens eine natürliche Rolle in einer Gegenwartserzählung spielen zu lassen, weil der Glaube an diese Wesen schon längst selbst unter denjenigen ausgestorben ist, bei denen sonst viel anderer Aberglaube übrig geblieben ist. Während die Furcht vor Spukgestalten oder der Glaube an Omen etc. in der Bevölkerung noch sehr verbreitet ist, gibt es "heutzutage" im ganzen Land nicht einen Bauern, der ernsthaft einen Gedanken an Nissen2 oder Meerjungfrauen verschwendet, ja viele dieser Sagengestalten sind nicht mal vom Namen her bekannt. Frag einen Bauern, welche Vorstellungen er mit dem Wort "Werwolf" verbindet – und er wird die Antwort schuldig bleiben.

Trotz dieser Ungereimtheit, auf die "fantastische Wesen" gebaut ist, zeichnet sich ab, dass das Werk von bedeutendem Wert sein wird. Hierzu tragen nicht zuletzt die drei ausgezeichneten Künstler Bindesbøll, Jerndorff und Skovgaard bei, die bei der Darstellung der märchenhaften Gestalten und bei der Ornamentierung des Buches großes Geschick und reiche Fantasie gezeigt haben.

Es lässt sich daher hoffen, dass dieses Buch die weite Verbreitung erlangt, die es verdient.

P.
 


Fantastische Wesen [II]

Das siebte Heft von diesem – was die Gefälligkeit der Aufmachung angeht – einzigartigen dänischen Prachtwerk ist erschienen, das viel größere Verbreitung verdient, als es, so viel ich weiß, bisher bekommen hat.

Die Bilder sind fast ausnahmslos von allerhöchster Qualität, eigentümlich und ergreifend. Am Text hapert es aber ein wenig, weil die Aufgabe, die der Dichter bekommen hat – Sagenfiguren entscheidend das Leben heutiger Menschen beeinflussen zu lassen – sozusagen unlösbar ist, da Trolle, Nissen, Hexen, Basilisken usw. inzwischen nicht mehr im Spiel sind, weder in der Königsburg noch in der Bauernhütte, besonders in letzterer. Dennoch wird man fast alle Erzählungen mit Gewinn lesen, allein schon um des seltenen Wohlklangs willen, der in der Drachmannschen Sprache zu finden ist.

Eine einzelne davon – überdies die längste – – "Das Helpferd", gehört sogar zu den allerbesten Prosaarbeiten dieses Dichters.

 
[1] kennenlernen konnten: Laut Ursins Drachmann-Bibliographie war keiner der Texte in Troldtøj früher gedruckt gewesen, auch nicht "Das Helpferd". tilbage
[2] Nissen: dänische Weihnachtskobolde (Anm. d. Ü.) tilbage