Tagebuch

12. November

Draußen auf dem Valby Bakke1 ist man dabei eine neue Kirche zu bauen, die wohl Jesu-Kirche heißen soll.

Aus der Entfernung wirkt sie wie eine Bierbrauerei. Ein paar Lichtschlitze über dem untersten Dach erinnern besonders deutlich an die Sprossenjalousien, die man vom Kühlraum einer Brauerei kennt. Um das Bild zu vervollständigen, fehlt nur noch ein Dampfschornstein. Aber wie man hört, ist geplant, einen hohen freistehenden Glockenturm im Stil des berühmten Markusturms in Venedig zu errichten.

Braumeister Carl Jacobsen ist es, der diese Kirche auf eigene Rechnung erbauen lässt. Wie man weiß, hat jener Reiche seine Interessen gleichmäßig auf Kunst, Religion und Bier verteilt.

In seinem Kunstmuseum prangen überall umfangreiche heilige Inschriften, in seiner Kirche wird für heidnische Kunst Platz eingeräumt und überall strahlt einem wie ein Leitstern Ny-Carlsbergs beliebte Biermarke entgegen, für die die Brauerei letztes Jahr auf der Ausstellung Werbung machte und die noch nicht einmal über dem Eingang zum kleinen Kirchengebäude fehlt.

Wie soll man nun diese neue große Jesu-Kirche verstehen?

Was hat es mit diesem – das muss man ihm lassen – bemerkenswerten und einzigartigen Braumeister auf sich? Baut er Kirchen und Museen im Interesse seines Bieres, oder ist ihm dies bloß das Mittel für eine großzügige, mittelalterliche Verehrung von Religion und Kunst? Wenn er rund um eine Christusfigur das Zeichen von Ny-Carlsberg anbringt, möchte er dann, dass man beim Betrachten der Christus-Figur Durst nach seinem Bier bekommt oder dass man beim Trinken seines Bieres an Christus denkt?

Wer kann dieses Rätsel deuten?

Wie auch immer – jetzt haben wir auf der einen Seite der Stadt die Jesu-Kirche und auf der anderen die Tuborg-Flasche. Es ist Geschmackssache, was man vorzieht; aber das wenig geschmackvolle Äußere ersterer lässt einen ohne Zweifel zutiefst zaudern, weil sie unwillkürlich die Gedanken auf die kommende Glyptothek lenkt.

Eine der vielen Bedingungen, unter denen der Braumeister Jacobsen unserer Stadt die fürstliche Gabe geschenkt hat, ist diese, dass das Glyptotheks-Gebäude nach seinen eigenen Zeichnungen errichtet werden müsse. Nach den architektonischen Geschmacksproben, die man bisher von ihm bekommen hat, bleibt nicht mehr viel Zuversicht; und kompetente Leute, die die Gelegenheit dazu hatten, sich mit dem Entwurf zur neuen Glyptothek bekannt zu machen, schütteln nur stark, ja hoffnungslos, den Kopf.

Hier in Kopenhagen haben wir schon genug hässliche Gebäude. Wir können es uns nicht leisten, nun noch ein Monstrum zu bekommen – besonders nicht auf einem so ins Auge stechenden Platz wie dem für die Glyptothek angedachten. Während unser eigenes nationales Kunstmuseum im hintersten Winkel der Stadt erbaut wurde, wo kein Fremder leicht hinfinden wird, hat der Braumeister Jacobsen als Bedingung gestellt, dass seine Sammlung (die größtenteils aus ausländischen Kopien besteht) mitten auf dem Boulevard hausen soll.

Es wäre eine schöne Sache, wenn eine unserer Illustrierten die Erlaubnis bekäme, die Zeichnungen für das geplante Gebäude zu veröffentlichen, damit wir uns alle ein Urteil darüber bilden könnten. Wir würden dann auch die Gelegenheit erhalten, zu erfahren, ob das Bier-Zeichen hier auch zur Dekoration dienen und vielleicht als Erinnerung über der Eingangstür angebracht wird.

Urbanus.

 
[1] Valby Bakke: auch: Valbyhügel, eine Hälfte des im Südwesten von Kopenhagen liegenden Hügels. Er liegt an der Grenze zum Stadtteil Vesterbro. tilbage