Tagebuch

Es ist nicht verwunderlich, dass es so viele junge Menschen heutzutage zum Theater zieht. Ist die Stellung eines Schauspielers zurzeit vielleicht nicht außerordentlich einträglich, so ist sie doch der naheliegendste und sicherste Weg zur Erreichung von Berühmtheit und Popularität, die für alle jungen Herzen die höchste Glückseligkeit bedeutet.

Während ein Mann der Wissenschaft, ein Künstler oder Schreiber (um nicht von anderen, noch nützlicheren Gesellschaftsmitgliedern zu sprechen) meist jahrelang tätig ist, bevor sein Dasein außerhalb eines sehr begrenzten Kreises erahnt wird, braucht ein junger Handlungsgehilfe oder Student bloß einen einzigen Abend auf einer Kopenhagener Bühne mit einem grauen Hut auf dem Kopf und der Hand in der Hosentasche aufzutreten – dann ist sein Name sofort Allgemeingut, seine Person von allen gekannt; die Damen drehen sich auf der Straße nach ihm um, und sein ganzes Tun und Handeln wird täglich in den Zeitungen der Stadt wiedergegeben. Und jedes Mal, wenn er den Hut wechselt, wächst seine Popularität, sein Bild lächelt uns zuletzt aus den Fenstern der Buchhändler, von Streichholzpäckchen und Zigarettenschachteln entgegen, und wenn er stirbt, werden all die alten Schauspielanekdoten neu aufgelegt und seinem Geist zugeschrieben, und er wird unter Teilnahme und Trauer beigesetzt, als ob er wirklich einer von den Großen war.

Geschieht es dann und wann, dass ein dänischer Komponist, Redner oder Schreiber auf die Idee kommt, in einer fremden Hauptstadt aufzutreten, gerät das Volk deswegen nicht aus dem Gleichgewicht. Wenn er Glück hat oder ein Fiasko anrichtet, bleibt das seine eigene private Angelegenheit, und geht uns andere nichts an.

Aber lass eine Schauspielerin und einen Schauspieler des Königlichen Theaters für einen Gastauftritt engagiert werden – sie in Stockholm, er in Bergen – und die besten Wünsche und Hoffnungen der ganzen Nation folgen ihnen. Wir spüren, dass unsere nationale Ehre hier auf dem Spiel steht, und sehen mit wachsender Angst dem Resultat des ersten Auftritts entgegen. Wird es ein Sieg oder eine Niederlage? Eine Schauspielerin des Königlichen Theaters richtet ein Fiasko an – das würden wir nicht überleben! Jeden Tag heizen Briefwechsel und Zeitungsnotizen die Spannung an – bis endlich eines frühen Morgens ein ellenlanges Telegramm den beängstigten Bürgern verkündet, dass der Sieg errungen, dass die Ehre Dänemarks gerettet ist. –

Nun nähert sich die Zeit, dass die vielen, lieben, bekannten Gesichter sich wieder in unseren Straßen zeigen werden. Bereits heute verbreitete es sich wie ein Lauffeuer durch die Stadt, dass N.N. in einer Droschke auf dem Kongens Nytorv gesehen wurde. Wir fühlen uns doch erst richtig zu Hause in unserer Stadt, wenn wir unsere Lieblinge wieder wohlbehalten innerhalb der Mauern wissen.

Ein doppelt herzliches Willkommen schlägt ihnen entgegen, die sie so stolz den Sieg aus Stockholm und Bergen heimgetragen haben. Nach diesen Triumphen dürfte es wieder Hoffnung für das alte Dänemark geben.

Urbanus.