Sæby

Von Frederikshavn bis Sæby sind es knapp zwei Meilen. Der Weg zieht sich am Strand entlang, sodass man auf der einen Seite die ganze Zeit die Aussicht auf das Meer hat; auf der anderen Seite erheben sich hohe, steile Hänge, teilweise kahl, teilweise mit niedrigem Gebüsch bewachsen. Während der Fahrt bekommt man Lust, um Halt zu bitten, um auf jede dieser Höhen hinaufzusteigen und sich umzusehen. Damit sollte man aber warten, bis man Sæby fast erreicht hat. Etwas weiter landeinwärts findet man einen hohen Punkt, der Gjedebjærget heißt.

Dort muss man hinauf.

Von hier aus hat man nicht nur eine großartige Aussicht über die kleine Stadt, den weißen Strand und weit über das Meer, sondern auch landeinwärts; denn wendet man sich nach Westen, blickt man zugleich meilenweit über den sogenannten jütländischen Höhenzug, ein hügeliges Hochland, bedeckt mit Heidekraut und zerfurcht von tiefen Tälern, in welchen sich Wiesen und prachtvolle Wälder verbergen. Dort fließen die Wasserläufe der Gegend zu größeren Bächen und Flüssen zusammen, die oft in äußerst merkwürdigen Windungen den Weg hinunter zum Meer finden.

Bei Sæby hat genau solch ein Fluss seine Mündung, und das letzte Stück Weg schlängelt er sich tief unten zwischen hohen, steilen Abhängen, bewachsen mit dem prachtvollsten Wald, dessen Baumkronen sich wie eine Tempeldecke ganz über ihn wölben. Ein Fußweg führt von der Stadt in den Wald und folgt dort dem ganzen Verlauf des Flusses.

Kommt man – wie wohl die meisten Touristen – nördlich von Skagen, wo sich das Auge an die unfruchtbare Düne und das Ohr an das raue Geheul vom Meer gewöhnt haben, ist der Übergang zu dieser Üppigkeit und diesem Frieden zutiefst beeindruckend. Indem man in das Halbdunkel des Waldes eintritt, bekommt man das Gefühl, eine Kirche zu betreten. Mit einer eigentümlichen Reinheit spiegeln sich die schlanken Stamm-Säulen und die luftigen Laubbögen im Flusswasser. Oben von den gewundenen Ästen der Empore erklingen die Stimmen vieler kleiner Chorsänger, und wie ein mächtiges Orgelbrausen rauscht der Wind durch die hohen Baumkronen.

Fast eine volle Viertelmeile erstreckt sich dieser Laubtunnel in das Land hinein, und trotzdem wird man nie müde durch ihn hindurch zu wandern. Aber – auf der anderen Seite – wenn man erst auf einer der vielen Bänke Platz genommen hat, die an den schönsten Orten ober- und unterhalb der Hänge angebracht sind, kann man sich schwer von den sanften Träumereien lösen, in welche einen hier Stille und Harmonie einlullen.

In unmittelbarer Nähe des Waldes und nicht weit entfernt vom Strand, wurde vor einigen Jahren auf einer Anhöhe eine eisenhaltige Quelle entdeckt, deren Wasser die heilende Kraft der meisten bisher gefundenen Gesundheitsbrunnen übertreffe, selbst jener, die einen europäischen Ruhm genießen. Aus einem Bericht1, den der Bezirksarzt Holger Mygind darüber herausgegeben hat, geht hervor, dass sich, was den Eisengehalt anbelangt, nur ganz wenige Quellen in Europa mit dieser messen können, und eine Reihe von Krankheitsgeschichten, die dort genannt werden, belegen den überraschend glückbringenden Einfluss, den der Genuss von Wasser bei so gut wie all den Bleichsüchtigen und Blutarmen gehabt hat, die sich hier einer Kur unterworfen haben.

Es ist deswegen recht natürlich, dass eine große Kuranstalt auf diesem Platz geplant war, die genug Bedingungen erfüllt, um ein Erholungsort von wirklicher Bedeutung zu werden. Die wunderbare Reinheit der Luft, der kräftige Wellenschlag des Meeres, die feinen, weißen Sandböden der Küste, der Schatten und Schutz des Waldes, die Großartigkeit der umgebenden Natur und schließlich die heilende Quelle selbst, alles vereint sich, um den Aufenthalt hier ungewöhnlich stärkend und angenehm zu machen. Wer in Sæby keine Luft in die Lunge und Farbe auf die Wangen bekommt, erhält dies kaum an einem anderen Ort.

Daher war die vorsichtige Zurückhaltung, die unsere Finanzmänner kennzeichnet, schwer zu verstehen, als vor Kurzem eine Einladung zur Aktienzeichnung vorlag, um den genannten Plan zu realisieren. Alles war vorbereitet, passende Grundstücke hatte man sich gesichert, die Quelle erworben – aber die Gelder blieben aus, und der ganze schöne Plan musste vorläufig aufgegeben werden. Vielleicht waren es die Erfahrungen, die man in Silkeborg gemacht hatte, die auf dieses Ergebnis Einfluss hatten. Hier soll angemerkt werden, dass Silkeborg zwar in einer schönen und gesunden Gegend liegt; aber dort fehlt ein nicht unwesentlicher Faktor: das Meer; und man kann wohl auch nicht leugnen, dass der große Wald in der Gegend von Silkeborg auf Dauer etwas drückend auf das ohnehin selten zu helle Gemüt der Kranken wirkt.

Deswegen wird Sæby auch beständig Jahr für Jahr immer mehr Dürstende an seine Quelle und Küste ziehen. Und wenn die ersten Gäste sich melden, werden auch die Gelder kommen, und die Hotels werden aus dem Boden schießen; und vielleicht wird es daher doch nur noch eine Frage der Zeit sein, bis hier der Plan für eine große Kuranstalt in seinem ganzen Umfang Wirklichkeit wird.

Ein Anfang wurde schon gemacht. Um die Quelle herum ist ein sehr schöner Park angelegt worden, von wo aus man eine ausgezeichnete Aussicht auf das Meer hat. In der Nähe ist eine Villa als Unterkunft für die Badegäste errichtet worden und überall strengt man sich an, den Fremden den Aufenthalt so verlockend wie möglich zu gestalten.

Deshalb wird es in der warmen Sommerzeit niemand bereuen, seine Reiseroute entlang Sæby zu planen. Egal ob krank oder gesund, hier wird man alles finden, was das Sommerherz begehrt.

 
[1] Bericht: Holger Mygind: Sæby Jærnvand, et Bidrag til Bedømmelsen af dets Egenskaber og til Oplysning om nogle Betingelser for en dansk Jærnvandskuranstalts Anlæggelse her [Sæbys Eisenwasser, ein Beitrag zur Bewertung seiner Eigenschaften und zur Aufklärung einiger Bedingungen für die Errichtung einer dänischen Eisenwasserkuranstalt], Begleitblatt zur Ugeskrift for Læger [Wochenschrift für Ärzte], 4. R., 1887. tilbage