Die Neger –

– sorgen in Hotel Tivolis Pavillons weiterhin für volles Haus1. Trotz der Hitze und des Gestanks in den beiden Sälen, wo die gut zwanzig schwarzen Mitmenschen sich den lieben langen Tag aufhalten, essen, kochen, tanzen und sich schön machen, strömen die schaulustigen Kopenhagener in immer größer werdenden Scharen zu jeder "Vorstellung" und zwischen dem Publikum und den Krausköpfen hat sich allmählich ein recht vertrauliches Verhältnis entwickelt, das für die Letzteren in eine etwas zu aufdringliche Vertrautheit umzuschlagen scheint.

Offensichtlich sind sich diese schwarzen Kinder der Sonne darüber im Klaren, dass sie mit ihren mehr oder weniger nackten Körpern Kopenhagen erobert haben. Mit der Miene eines siegreichen Kriegsherrn werden sie im Publikum umher geführt und haben keine Angst davor, auf eine etwas zu überlegene Art jeden zur Seite zu schubsen, der ihnen zufällig im Wege steht. Mit Pralinen, Zigarren und Schmuck kann man sie sich gewogen machen; aber es wäre vielleicht besser, ihren übermütigen Späßen gegenüber dem Publikum einen kleinen Dämpfer zu erteilen; sonst riskiert man, dass es eines schönen Tages Ärger gibt.

Und das wäre schade, denn es ist wirklich unterhaltsam sie zu beobachten. Den Negern sagt man ja sonst nach, hässlicher als der Teufel selbst zu sein; aber unter ihnen sind viele, nette Mitmenschen; besonders in einige der jungen Frauen, könnte man sich gut verlieben ohne sich dafür schämen zu müssen. Sie sind klein von Wuchs, ausgezeichnet geschaffen, mit drallen Formen. Leider fordert der Kopenhagener Anstand, dass sie sowohl Rock als auch hohes Leibchen tragen, während das Mannsvolk schlichtweg nichts anderes als einen Federkranz um die Lenden hat. Es ist nicht nachvollziehbar, warum einen nackten Männerrücken zu besehen anständiger sein soll, als einen ebensolchen Frauenrücken; und die Männer im Publikum fühlen sich mit Recht sowohl benachteiligt als auch ein wenig geniert dabei, die Formen ihres Geschlechts so unverhüllt ausgestellt zu sehen ohne Ersatz beim anderen Geschlecht zu finden.

Stündlich wird die Karawane in einem der beiden Säle zusammengerufen, wo dann die eigentliche "Vorstellung" beginnt. Diese besteht aus verschiedenen Kriegstänzen und Pantomimen, unter welchen besonders eine drastische Freierszene beglückt. Aber insgesamt sind diese Schauspiele außerordentlich unterhaltsam. Den Leuten, die sich täglich darüber ärgern, ein paar Kronen ausgegeben zu haben um sich in unseren Theatern halb zu Tode zu langweilen, ist zu empfehlen 50 Öre zu zahlen, um beim Anblick der wilden Schwerttänze dieser Menschen wieder lebendig zu werden. Unter lauten Schreien und ständigem, mörderischem Dröhnen der Pauken winden die schwarzen Leiber sich umeinander herum, bald mit schleichenden Bewegungen und lautlosen Schritten, bald hervorstürmend mit erhobenem Schwert und flammendem Feuer in den kohleschwarzen Augen. Das Ganze macht einen so fantastischen Eindruck und wirkt auf diese Weise allmählich selbst auf die faulste Fantasie, dass die Decke und Wände des Saales zuletzt geradezu verschwinden und man glaubt, sich im Innersten eines Urwalds zu befinden, unbemerkter Zeuge von einem der Beschwörungs-Delirien zu sein, von denen man als Junge las. Dort unter einer Banane kauert ein langer Kerl mit einem riesigen Maul und hämmert mit einer solchen Leidenschaft und unter so wildem Geschrei auf die Pauke, dass man ihn vom Wahnsinn ergriffen glaubt. Dort beim (Kamin-) Feuer liegt ein winzig kleines Kind und spielt mit einer Kokosnuss. Es streckt die Hände nach der Mutter aus, aber der Lärm nimmt zu, keiner hört den zarten Ruf, alles befindet sich in wildem Rausch und Verwirrung, ein stechender Qualm erhebt sich um die schwitzenden Körper, das gellende Geschrei der Frauen erzeugt ein Echo im Urwald, die Sonne verdunkelt sich von dem aufwirbelnden Staub, die Pauken dröhnen – dum – dum –

Bum.

*

Gestern gegen vier Uhr besuchten der König, der Kronprinz, Prinz Valdemar und die Prinzen Christian und Carl den Negerstamm.

Der Häuptling, der ein guter Bekannter des Kronprinzen zu sein scheint, ging schnell, erfreut über das Wiedersehen, zu diesem hin und drückte ihm herzlich die Hand.

Und nun führte man auf der Tribüne den wilden Kriegstanz auf. Es herrschte große Feststimmung während der Vorstellung. Die Gonge wurden wilder als je zuvor geschlagen, es wurde gebrüllt, sodass die Trommelfelle davon bebten, und der Tanz war so stürmisch und barbarisch, dass den Zuschauern dabei regelrecht ungemütlich wurde.

Mit einer ehrerbietigen Verbeugung vor den hohen Gästen – der Häuptling und der ganze Stamm lagen beinahe platt auf dem Bauch – endete das Ganze.

Dann verordnete der König, dass massenweise Bier, Apfelsinen, Zigaretten u. ä. unter den Schwarzen verteilt werden sollte, die sich ganz ungeniert um S. Majestät drängten und gierig die Sachen eroberten, so wie sie dargeboten wurden.

Große Verwunderung machte sich unter den Negern breit, als der König dem Häuptling mit Zeichen und Gesten verständlich machte, dass der Kronprinz sein Sohn und die Prinzen Christian und Carl seine Enkelkinder seien.

Der Kronprinz schenkte dem Häuptling während des Besuchs eine Jubiläums-Zweikronenmünze, mit welcher dieser verzückt tanzte und über die er augenscheinlich sehr glücklich war.

Nach ca. einer halben Stunde Aufenthalt verließen die Königlichen [den Negerstamm] unter ehrerbietigem Kniefallen aller Wilden im Saal.

 
[1] Hotel Tivoli: Anzeige in der Politiken: "Westafrikanische Negerkarawane, 24 Personen, darunter 12 Amazonen aus der Frauengarde des Königs von Dahomey, wird täglich von 11.00 bis 22.00 Uhr im großen Saal des Hotel Tivoli vorgeführt. Eintritt 50 Öre, Kinder 25 Öre" – Sie traten zum ersten Mal am 18.11.1888 auf. tilbage