Ein Quacksalber

Die Frau eines Landarbeiters stach sich vor einigen Wochen an einer mit Grünspan überzogenen Stecknadel. Am Abend, als sie zu Bett ging, spürte sie noch nichts, aber in der Nacht wurde sie von starken Schmerzen in Hand und Arm geweckt, und als sie das Licht anschaltete, sah sie zu ihrem Erschrecken, dass sich die Hand ganz dunkelblau verfärbt hatte und der Arm so angeschwollen war, dass sie die Wäsche ganz auftrennen musste, um ihn frei zu bekommen.

Ein Arzt, der am Morgen zufällig vorbeikam, wurde dazu geholt und stellte sofort eine Blutvergiftung fest.

Die arme Frau wäre vor Schreck beinahe auf der Stelle tot umgefallen, als sie dies hörte.

"Wir müssen die Hand abnehmen, und das schnellstens", sagte der Arzt. "Da kann man nichts anderes machen. Das ist die einzige Möglichkeit, Ihr Leben zu retten."

Dies aber wollte die Frau nicht glauben, und der Arzt fuhr wieder fort.

Im Laufe des Tages wurden ihre Schmerzen jedoch unerträglich; gleichzeitig schwoll die eine Seite ihrer Brust so an, dass sie ihr die Luft abdrückte und sie kurz davor war, zu ersticken. Am Nachmittag wurde sie in einen Wagen gelegt und zum niedergelassenen Arzt gebracht, eine knappe Meile von dort entfernt.

Auch dieser sah besorgt auf die Hand, schüttelte den Kopf und sprach das schicksalhafte Wort: Blutvergiftung.

"Da kann man nichts anderes machen, gute Frau, wir müssen die Hand abschneiden. Und zwar hier und jetzt. Andernfalls wird es innerhalb der nächsten zwölf Stunden mit Ihnen vorbei sein."

Die Frau sah auf ihre Hand; es war ausgerechnet die rechte. Sie war die Frau eines armen Mannes und brauchte ihre beiden Hände, um dem Gatten dabei behilflich zu sein, sich und die Kinder zu ernähren. Wie sollte das nur werden, wenn nun auch sie versorgt werden müsste und das Geld nicht mehr mitverdienen könnte?

Nach kurzer Bedenkzeit erklärte sie, dass sie die Hand nicht verlieren, sondern lieber sterben wolle.

"Ja, dazu kann ich nichts sagen. Das entscheiden Sie natürlich selbst", entgegnete der Arzt schulterzuckend. – Damit war die Konsultation abgeschlossen und die Frau ging fort.

Als sie die Tür heraus gekommen war und in Gedanken damit begann, Abschied von dieser Welt zu nehmen, die sie in wenigen Stunden verlassen sollte, fiel ihr ein, dass sie von einem "klugen" Mann im Dorf gehört hatte, zu dem viele Kranke gingen, wenn alle Hoffnung auf Rettung verloren schien. Sie glaubte eigentlich nicht an solche Dinge, aber sie dachte, dass es sowieso keine Alternative mehr gebe; daher könne es ja nicht schaden, sich auch bei ihm zu erkundigen. Dann würde sie doch alles getan haben, was in ihrer Macht stand und hätte sich nichts vorzuwerfen.

Sie suchte den Mann auf und auch dieser sagte sofort und entschieden "Blutvergiftung", nachdem er die Hand gesehen hatte. Als die Frau aber meinte, dass dann wohl keine Aussicht auf Rettung mehr bestünde, ohne die Hand abnehmen zu lassen, lächelte der alte Mann und murmelte: "Ach, das wäre aber nicht gut … Kommen Sie nur hier her, wir werden dieses Teufelszeug schon aus Ihrem Körper jagen."

Dann schmierte er eine Salbe in ihre Hand, band einige Lappen darum, gab ihr gute Ratschläge und bat sie, nach Hause zu fahren.

Heute ist die Frau zu Hause und macht sich wieder mit ihren beiden Händen in Haus und Garten zu schaffen. Ich sah sie neulich selbst, sie war vergnügt und guter Dinge und zeigte mir triumphierend ihre zum Tode verurteilte Rechte. Sie war noch etwas steif und unbeweglich und sah fast so aus, als ob sie verbrüht gewesen wäre.

"Aber die wird schon wieder gut werden", sagte sie lächelnd und streichelte sie zärtlich mit der Linken, als ob sie sie wirklich verloren und wieder zurückbekommen hätte.

*

Es wird die Leser von Politiken sicher nicht verwundern, dass der unermüdliche Interviewer dieses Blattes, nachdem er von dieser Geschichte gehört und sich ihrer vollkommenen Zuverlässigkeit versichert hatte, nicht rastete, bis er diesem merkwürdigen, alten Mann von Angesicht zu Angesicht gegenüber stand, besonders da er von hunderten anderen ähnlichen oder noch wunderlicheren Zufällen hörte, wo eine einfache Salbe, ein paar Kräuter oder eine kleine Reibung mit dem Daumen Leben und Glieder von Leuten gerettet hatten, die nicht nur von den berühmtesten Kopenhagener Professoren aufgegeben worden waren, sondern bei denen selbst unsere alte Mutter Sankt Helene1 in ihrem Grabe hätte passen müssen.

So wurde erzählt – und ich erkundigte mich darüber, ob dies sich wirklich so verhielt – dass ein junger Knecht, der in das Frederiks-Hospital2 eingeliefert wurde, und der das eine Bein ab der Mitte des Oberschenkels abgenommen bekommen sollte, sofern er nicht im letzten Augenblick dagegen protestiert hätte, jetzt munter und auf beiden Beinen nach bloß ein paar Wochen in der Behandlung des "Quackdoktors" von morgens bis abends das Gras mähte. Neulich wurde hingegen ein Mädchen in das Bezirkskrankenhaus gebracht, welches genau wie die Frau des Arbeiters eine Blutvergiftung aufgrund eines kleinen Ritzes in den Finger bekommen hatte. Ihr schnitten die Ärzte eilig die Hand ab – und sie starb trotzdem.

– – –

Ich möchte nicht leugnen: Es war nicht ganz ohne eine gewisse Beklemmung, als ich mich auf den Weg zu dem alten, achtzigjährigen Wundermann3 begab, der so rätselhaft sowohl dem Tod als auch allen Arten an Teufelszeug, ja sogar den Doktoren, trotzt. Es war gegen Nachmittag und die Natur um mich herum trug mit all dem bei, wozu sie im Stande ist, um die Spannung zu erhöhen und mein leicht bewegliches Gemüt für alle möglichen, übernatürlichen Vorstellungen empfänglich zu machen. Über meinem Kopf hing der Himmel schwarz wie die Hölle, und entlang des Horizonts zuckten dämonische Blitze Schlag auf Schlag wie ungeheuerliche Funken aus dem Schmiedefeuer, in dem der Sage nach der Teufel an solchen Tagen die Ketten fertigt, in denen unter anderem einmal wir Kinder von Politiken schwitzen sollen. Es lief mir kalt den Rücken herunter. Es regnete stark, und zwischen den Bäumen entlang des Weges pfiff und rauschte der Sturm wie eine Heerschar von kleinen Höllenkindern, während der Makadam4 unter meinen Füßen zitterte, sobald das unterirdische Dröhnen des Donners alle Eingeweide der Erde zu sprengen schien.

Zum Glück ließ das Unwetter ein wenig nach, und je näher ich meinem Ziel kam, desto mehr beruhigte sich mein Gemüt und konnte mit den Überlegungen beginnen, auf welche Weise ich mich am besten bei diesem Wundermann vorstellen könnte.

Ohne mich selbst loben zu wollen, bin ich mir keiner körperlichen Makel bewusst, ja ich glaube sogar behaupten zu können, ein recht wohlgestalteter Mensch zu sein, dessen Kopf für all seine Ideen bloß etwas zu klein ist. Mich aber aus Anlass dieses Missverhältnisses an ihn zu wenden, erkannte ich gleich als vergebene Mühe und zum ersten Male in meinem Leben fühlte ich mich davon bedrückt, nicht einen steifen Knöchel oder wenigstens einen Ballenzeh zu haben, was meinen Besuch hätte rechtfertigen können. Mir eine Blutvergiftung zuzulegen, bloß um zu der Zufriedenheit zu gelangen, deren Heilung durch diesen Mann feststellen zu können, schien mir selbst für einen Interviewer etwas zu gewagt, der ja sonst schon oft genug sein Leib und Leben vielen Gefahren aussetzte, um die natürliche Wissbegierde seiner Leser zufriedenzustellen; und was diesen Gedanken anging – der mich in einem wirklich schwachen Augenblick ergriff – die ein oder andere Gebrechlichkeit wie z.B. einen lahmen Fuß oder einen steifen Finger vorzutäuschen, um den Scharfsinn und die Zuverlässigkeit des Mannes auf die Probe zu stellen, so wies ich ihn augenblicklich mit Verachtung und Unvereinbarkeit – sowohl mit meiner eigenen Würde als auch mit der Rücksicht, die man einem Mann, der solch unzweideutige Beweise für seine außerordentlichen Fähigkeiten gegeben hatte – zurück. Ein solcher Mann sollte nicht hinters Licht geführt werden, auch nicht von einem Interviewer, und ich beschloss letztlich, ihm ohne Umschweife zu erzählen, wer ich bin und warum ich gekommen war.

Mit einem fürchterlichen Donnerschlag über meinen Kopf tat der Himmel seine Zufriedenheit mit dieser hochmütigen Entscheidung kund.

Bald erreichte ich das Haus nach der vorher erhaltenen Beschreibung am Rande des Dorfes, wo es inmitten eines dunklen, dicht bewachsenen Gartens lag. Es war, wie ich erwartet hatte, eine kleine und alte Hütte, die durch ihre kleinen Fenster so finster aussah, und einen jeden Fremden misstrauisch zu beäugen schien, bevor sie ihn einließ.

Ein schmaler Gang führte zwischen zwei hohen Hecken zum Haus, und nicht ohne innere Regung betrat ich die kleine Vorstube und klopfte an die niedrige Tür.

Es war und blieb völlig still im Haus und rundherum. Sollte ich vergeblich gekommen sein? Da hörte ich ein Poltern von drinnen und die Tür wurde von einer Gestalt geöffnet, die mich nach meinem Anliegen fragte.

Ich nannte den Namen des klugen Mannes.

"Das bin ich", sagte er und trat zur Seite, um mich hineinzubitten.

Lassen Sie es mich so sagen: Ich war ein klein wenig enttäuscht. Ich hatte erwartet, einen vermoosten, koboldartigen Greis anzutreffen, der verdächtigt werden könnte, im Pakt mit unterirdischen Mächten zu stehen, aber ich vernahm vor mir eine ranke und lebhafte Gestalt, welche zwar ein altes und von Falten durchfurchtes Gesicht, jedoch jugendliche, gelbbraune Künstlerlocken und einen sicher gerade eben erst ergrauten Bart im Stil Frederiks VII. am Kinn hatte. [NB. Übersetzung dieses Satzes fehlt:] Han talte et ægte Kjøbenhavnsk og bød mig med en beleven Gestus at tage Plads.

Es dauerte nicht lange, bis wir uns mitten in einem lebhaften Gespräch über die Heilkunde befanden. Unterdessen inspizierte ich mit meinem untersuchenden Blick die kleine, halbdunkle Stube; aber abgesehen von diesem geheimnisvollen Zwielicht war nichts Auffälliges zu beobachten. Nur in einem Winkel des Zimmers blieben meine Augen bei einigen Flaschen und Krügen stehen, die jedoch ein ganz gewöhnliches Aussehen hatten.

Desto mehr fesselten mich seine Geschichten. Er erzählte in einem Fluss, auf eine sehr unterhaltsame Weise und anscheinend auch nicht ungern. Mit großer Bescheidenheit und Dankbarkeit für seine Gabe berichtete er von verschiedenen seiner Kuren, deren Erfolg er ausschließlich der besonderen Gnade unseres Herren zuschrieb, den er bei keiner Gelegenheit ausließ, anzurufen.

"Ich bin weder Hexenmeister noch Zauberer", sagte er. "Aber ich vertraue auf Gott, ohne dessen Beistand wir nichts vermöchten."

Ich wandte ein, dass er doch neben der Gnade Gottes im Besitz einiger besonderer natürlicher Heilmittel sein müsse, gewöhnliche weltliche Medikamente, auf deren heilende Kraft er bedingungslos vertraue, und die derentwegen von jedem beschafft und angewendet werden konnten; und ich drückte meine Verwunderung darüber aus, dass die Ärzte, die doch seine Tätigkeit kennen müssten, diese Mittel nicht untersuchten und in Gebrauch nähmen – so wie z.B. die Salbe, die er nachweislich so viele Male erfolgreich gegen Blutvergiftung angewendet hatte.

Aber bei diesem Punkt, der seine Heilmittel betraf und die Weise, wie er in den Besitz seiner Kenntnisse über deren wundertätige Kraft gekommen war, bewahrte er eine unumstößliche, geheimnisvolle Verschwiegenheit. Er sprach nur verblümt von einem gewissen "Hansen", der zu Beginn des Jahrhunderts in Kopenhagen gelebt und dem er diesbezüglich viel zu verdanken habe; und er beruhigte mich damit, dass ihm dieser der leidenden Menschen wegen sein Wissen testamentarisch hinterlassen habe, und er ebenso beabsichtige, dieses vor seinem Tod einem zuverlässigen Mann anzuvertrauen, der seine Taten im Einvernehmen mit Gott fortsetzen würde.

Der Behauptung gegenüber, dass die Ärzte mit ihren modernen wissenschaftlichen Mitteln die Zusammensetzung seiner Medikamente schnell entschlüsseln könnten, hatte er nur ein mitleidsvolles Lächeln als Antwort zu entgegnen. Das hätten schon viele versucht, jedoch mit den gleichen, traurigen Ergebnissen.

Im Übrigen sprach er über seine akademisch ausgebildeten Kollegen mit größter Achtung, ja verfiel bei der Beschreibung von verschiedenen Ärzten in Kopenhagen gar in warme Lobreden über deren Genie. Nur beklagte er sich darüber, dass ihm die Zulassung zum Praktizieren nicht vergönnt gewesen sei, und dies wäre einzig und allein der Grund, weshalb er seine Vorgehensweisen immer noch geheim halte.

"Herrgott! Meine vielen hundert Kuren können doch beweisen, dass ich mir niemals etwas Anderes vorgenommen habe, als das, was ich weiß und worin ich mich verstehe – und das können womöglich nicht alle Ärzte von sich behaupten. Diese Leute sind nämlich nicht in der Lage, ihren Patienten gegenüber zuzugeben, dass sie eine Krankheit nicht genug kennen oder nicht wissen, wie sie zu behandeln sei. Und es ist ja z.B. für einen Provinzarzt unmöglich, ausreichend über jeden einzelnen Fall Bescheid zu wissen, über den er um Rat gefragt wird. Daher sind die Herren Ärzte in Wirklichkeit die Einzigen, die quacksalbern müssen – stimmen Sie mir da nicht zu?"

Ich äußerte nicht die geringste Meinung, aber da ich aus seinen letzten Worten einen Hauch zurückgehaltener Verbitterung in seiner Stimme vernehmen konnte, fragte ich ihn, ob er aufgrund seines Wirkens Gegenstand der Verfolgung von Ärzten oder Autoritäten sei.

"Ach, nein – das kann man nicht sagen. Da sind zwar Einzelne von den Herren Ärzten, die ein wenig Bauchschmerzen bekommen, wenn sie von meinen erfolgreichen Kuren hören, und einer von ihnen – Gott bewahre meinen Mund, dass ich keine Namen nenne – wandte sich tatsächlich vor nicht allzu langer Zeit an den Richter, um mich verurteilen zu lassen. Aber der Richter, der – das kann ich wohl sagen – ein besonders humaner Mann ist, stand bloß auf und sagte: 'Diesen Mann, über den Sie sprechen, kenne ich und er tut gewiss niemandem etwas zu leide. Aber Sie, Herr Doktor, Sie kenne ich auch – nämlich als einen sehr schlechten und unzuverlässigen Arzt. Das können Sie gerne schriftlich bekommen, wenn Sie möchten.' – Seitdem hat der Betreffende nichts mehr von sich hören lassen."

Diese Geschichte belustigte den alten Quacksalber sehr. Aber als ein Mann, den das Leben Diplomatie gelehrt hatte, hütete er sich wohl davor, seine Dankbarkeit gegenüber dem humanen Richter allzu deutlich zu bekunden.

Auf meine Frage, welche Krankheiten er insbesondere behandle, nannte er zuerst alle äußerlichen Beschwerden, sodann Eiter, alle Arten von Blutvergiftung, verschiedene Schwächen samt Nieren- und Blasenleiden. Gegen diese Letztgenannten hatte er einen Sud aus verschiedenen Kräutern, dessen Wirkung außerordentlich war. Er hatte damit einen berühmten, nun verstorbenen Arzt aus Kopenhagen geheilt, der bis zu seinem Tod vergebens zu ergründen versuchte, woraus dieses Mittel bestand.

"Und trotzdem lachte er mich vehement aus, wenn ich ihm von meinen Kuren erzählte", fügte der Alte mit einem kleinen wehmütigen Seufzer hinzu.

Kurz darauf stand ich auf und verabschiedete mich. Als ich hinaus ins Freie trat, wo der Himmel wieder blau geworden war, und die Sonne auf das nasse Laub und die vom Regen benetzten Wiesen schien, dachte ich im Stillen: Urteile nicht. Das steht dir jedenfalls nicht zu. Du hast in diesem Leben nur die Aufgabe, zuverlässig zu sein, indem du die Tatsachen unverzerrt darstellst.

Interviewer.

 
[1] Sankt Helene: Die Sankt Helene Quelle, die berühmteste, heilige Quelle Dänemarks, liegt an einem steilen Hang direkt am Kattegat am Strand von Tisvilde. Bis in das 19. Jahrhundert hinein wurden im Ort Quellenmärkte abgehalten, von denen der Quellblock noch bewahrt ist. tilbage
[2] "Det kongelige Frederiks Hospital" im Kopenhagener Stadtteil Frederiksstad, gestiftet von König Frederik V. tilbage
[3] Wundermann (dän. "Mirakelmand"): Aus Pontoppidans Brief an Edvard Brandes vom 15.08.1888 geht hervor, dass es sich dabei um den siebzigjährigen Arbeiter Johan Søren Pless (1818-96) handelte, der im Stationsvej in Fredensborg wohnte. tilbage
[4] Makadam (dän. "Makadamisering"): Der Straßenbelag zu dieser Zeit, benannt nach dem schottischen Straßenbauingenieur John L. McAdam (1756-1836). tilbage